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Mod­erne Maschi­nen sollen in Zukun­ft nicht nur schnell und präzise Algo­rith­men fol­gen, son­dern auch intel­li­gent funk­tion­ieren – also dem men­schlichen Gehirn ähneln. Wis­senschaftler aus Dort­mund, Lough­bor­ough, Kiew und Not­ting­ham haben nun ein vom Auge inspiri­ertes Konzept entwick­elt, das zukün­ftig Kün­stliche Intel­li­genz wesentlich kom­pak­ter und effizien­ter machen kön­nte: Ein Phonon-Magnon-Reser­voir auf einem Chip für neu­ro­mor­phes Com­put­ing. Ihre Ergeb­nisse wur­den kür­zlich als Editor’s High­light in Nature Com­mu­ni­ca­tions vorgestellt.

Die men­schlichen Sin­nesor­gane wan­deln Infor­ma­tio­nen wie Licht oder Geruch in ein Sig­nal um, das das Gehirn über Myr­i­aden von Neu­ro­nen ver­ar­beit­et. Die Neu­ro­nen wiederum sind mit ein­er Vielzahl von Synapsen miteinan­der ver­bun­den. Diese enorme Anzahl an Neu­ro­nen und Synapsen sowie die Fähigkeit des Gehirns, Synapsen zu trainieren beziehungsweise umzugestal­ten, ermöglicht es dem Men­schen, sehr kom­plexe externe Sig­nale zu ver­ar­beit­en und schnell eine Reak­tion darauf zu bilden. Weltweit ver­suchen Forscher*innen, das Prinzip der Sig­nalüber­tra­gung und des Train­ings mit kom­plex­en neu­ro­mor­phen Com­put­er­sys­te­men zu imi­tieren, also Sys­te­men, die neu­ro­bi­ol­o­gis­chen Struk­turen des men­schlichen Ner­ven­sys­tems ähneln. Von ein­er mit dem men­schlichen Gehirn ver­gle­ich­baren Infor­ma­tions­dichte und Effizienz sind die mod­er­nen Tech­nolo­gien jedoch noch weit ent­fer­nt.

Rechen­res­sourcen ver­ringern sich enorm

Ein­er der Ansätze, mit denen neu­ro­mor­phe Sys­teme verbessert wer­den sollen, ist das Reser­voir-Com­put­ing. Dabei wer­den die einge­hen­den Sig­nale in einem mehrdi­men­sion­alen Raum, dem soge­nan­nten Reser­voir, abge­bildet. Das Reser­voir wird nicht trainiert, son­dern beschle­u­nigt lediglich das Erken­nen der Sig­nale durch ein vere­in­facht­es kün­stlich­es neu­ronales Netz. Dadurch ver­ringern sich die Rechen­res­sourcen und Train­ingszeit enorm. Ein typ­is­ches Beispiel für das natür­liche Reser­voir-Com­put­ing ist das men­schliche Sehen: Im Auge wer­den die visuellen Infor­ma­tio­nen von Hun­derten Mil­lio­nen Pho­torezep­toren der Net­zhaut vorver­ar­beit­et und in elek­trische Sig­nale umge­wan­delt, die über den Sehn­erv an das Gehirn weit­ergeleit­et wer­den. Dieser Prozess reduziert erhe­blich die Daten­menge, die die Sehrinde im Gehirn ver­ar­beit­en muss.

Mod­erne Com­put­er­sys­teme kön­nen die Funk­tion des Reser­voirs bei der Ver­ar­beitung dig­i­taler Sig­nale nachah­men. Der entschei­dende Durch­bruch wird jedoch erst erre­icht, wenn Reser­voir-Com­put­ing direkt mit analo­gen Sig­nalen in einem natür­lichen physikalis­chen Sys­tem durchge­führt wird – wie beim men­schlichen Sehen. Das inter­na­tionale Team mit Forsch­ern aus Dort­mund, Lough­bor­ough, Kiew und Not­ting­ham hat nun ein neuar­tiges Konzept entwick­elt, das einen solchen Durch­bruch deut­lich näher­bringt.

Visuelle For­men kön­nen von sehr klein­er Fläche abge­le­sen wer­den

Die Forsch­er entwick­el­ten ein Reser­voir, das auf akustis­chen Wellen (Phononen) und Spin­wellen (Magnonen) basiert, die in einem Chip von 25x100x1 Kubik­mikrom­e­tern miteinan­der gemis­cht wer­den. Der Chip beste­ht aus einem akustis­chen Wellen­leit­er, durch den viele ver­schiedene akustis­che Wellen geleit­et wer­den kön­nen und der von einem struk­turi­erten mag­netis­chen Film von nur 0,1 Mikrom­e­tern bedeckt ist. Ultra­kurze Laser­pulse liefern die Infor­ma­tio­nen, die vorver­ar­beit­et wer­den, indem sie in ein Phonon-Magnon-Wellen­paket umge­wan­delt wer­den. Diese Wellen, die sich nun aus­bre­it­en, haben kurze Wellen­län­gen und ver­fü­gen somit über eine hohe Infor­ma­tions­dichte. Die ermöglicht es, visuelle For­men sich­er zu erken­nen, die der Laser auf eine bemerkenswert kleine Fläche von weniger als einem Fotopix­el zeich­net.

Pro­fes­sor Alexan­der Bal­anov von der Uni­ver­sität Lough­bor­ough, ein­er der Autoren, erk­lärt: „Das Poten­zial des als Reser­voir vorgeschla­ge­nen physikalis­chen Sys­tems war für uns auf­grund sein­er erstaunlichen Kom­bi­na­tion von Vari­abil­ität und Mul­ti­di­men­sion­al­ität sofort offen­sichtlich.“ Sein Kol­lege Pro­fes­sor Sergey Savel‘ev unter­stre­icht, wie sehr das Konzept der Funk­tion­sweise des men­schlichen Gehirns ähnelt: „Die Funk­tion­sweise des entwick­el­ten Reser­voirs basiert auf der Inter­ferenz und Mis­chung der optisch erzeugten Wellen, was dem kür­zlich vorgeschla­ge­nen Mech­a­nis­mus der Infor­ma­tionsver­ar­beitung im biol­o­gis­chen Kor­tex sehr ähn­lich ist.“

Dr. Alex­ey Scherbakov, der das Pro­jekt an der TU Dort­mund leit­ete, fasst zusam­men: „Unser Konzept ist sehr vielver­sprechend, denn es basiert auf der Umwand­lung des eink­om­menden Sig­nals in hochfre­quente akustis­che Wellen, wie sie bere­its in mod­er­nen draht­losen Kom­mu­nika­tion­s­geräten ver­wen­det wer­den. Unser akustis­ch­er Fre­quenzbere­ich ober­halb von 10 GHz ist zwar etwas höher als der derzeit ver­füg­bare, aber er wird von den näch­sten draht­losen Kom­mu­nika­tion­s­stan­dards angestrebt. Wer weiß, vielle­icht hil­ft Ihnen Ihr Mobil­tele­fon in ein paar Jahren, sehr men­schliche Entschei­dun­gen zu tre­f­fen.“

Quelle: TU Dort­mund

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