Von Ralf Keuper
Die Verfügbarkeit hoher Rechenkapazitäten, großer Datenmengen und leistungsfähiger Algorithmen ermöglicht den Einsatz der Verfahren der Künstlichen Intelligenz in Bereichen der Banken, die bislang von der Automatisierung kaum betroffen waren. Mittlerweile werden KI-Verfahren sowohl in der Kundenberatung als auch im Risikomanagement verwendet. Das Buch Künstliche Intelligenz für Kreditinstitute. Anwendungsbeispiele und Methoden gibt einen Einblick in die tägliche Praxis der Kreditinstitute, ohne dabei die Grenzen der KI unter den Tisch fallen zu lassen.
In Maschinelles Lernen: Ein Blick hinter die Kulissen geht Stefan Berlik auf die verschiedenen Arten des maschinellen Lernens ein: Überwachtes Lernen, Unüberwachtes Lernen und Bestärkendes Lernen.
Maschinelles Lernen sollte immer dann zum Einsatz kommen, wenn die Aufgabe komplex ist, das Problem ein großes Datenvolumen und viele Variablen umfasst, aber keine explizite Formel hiefür bekannt ist.
Beispiele:
- handgeschriebene Regeln und Gleichungen werden zu komplex (z.B. Gesichtserkennung)
- die Regeln ändern sich kontinuierlich (z.B. Fraud Detection)
- die Natur der Daten ist variabel, und das Programm muss sich anpassen (z.B. zur Vorhersage von Einkaufstrends)
Dennoch bleiben Herausforderungen bestehen. So erfordert der Umgang mit den Daten und das Auffinden eines passenden Modells einige Erfahrung und das nötige Domänenwissen. Eine weitere Herausforderung ist die Heterogenität der Daten. “Gelegentlich müssen mehrere verschiedene Datentypen, wie maschinengenerierte Datenströme, Texte oder Bilder, kombiniert werden. Zudem erfordert die Datenvorbereitung möglicherweise spezielle Kenntnisse und Werkzeuge. Beispielsweise setzt die Auswahl von Eigenschaften zum Trainieren einer Objekterkennung spezielle Kenntnisse der Bildverarbeitung voraus. Generell erfordern unterschiedliche Datentypen unterschiedliche Herangehensweisen in der Vorverarbeitung”. Das richtige Modell auszuwählen sei daher, so Berlik, ein Balanceakt, bei dem immer Kompromisse zwischen Modellgeschwindigkeit, Genauigkeit und Komplexität eingegangen werden müssen.
Hat man jedoch die richtige Balance gefunden, bietet sich ein breites Spektrum an Anwendungsfällen. Beispielhaft dafür ist die Entwicklung datengetriebener Serviceangebote für die mittelständische Wirtschaft bei der Commerzbank. Hierfür musste die Bank jedoch erst die Voraussetzungen schaffen. Schritte zum Ziel waren der Aufbau eines Data Lake (Sammelbecken für sämtliche Daten), eines Big Data Labs (Datenanalyse und Regelwerk für die Datennutzung) und einer Hybrid Cloud (Skalierung). Ein Produkt, das daraus entstanden ist, ist der sog. Pay-per-Use-Kredit — ein Investitionskredit, der es Unternehmen ermöglicht, Maschinen nutzungsbasiert zu finanzieren. “In seiner Rückführung orientiert sich der Kredit an der Auslastung der Maschine — sie überträgt diese Daten automatisch an die Bank. Dort wird die Höhe der Rückzahlungsraten entsprechend automatisch angepasst”.
Ein weiterer Anwender ist die Deutsche Leasing. Dort wird ML u.a. bei der Asset-Erkennung (Erkennung eines Mini-Baggers) verwendet: “Bei den Prototpyen sollte der Kunde das Asset, an dem er ein Interesse hat, einfach fotografieren und/oder ein existierendes Bild auf eine Online-Plattform hochladen. Der Algorithmus erkennt auf Basis dieses Bildes sowohl die Marke als auch den Typ des Baggers. Der in der Plattform hinterlegte Kaufpreis des identifizierten Baggers bildet damit die Grundlage für die Berechnung der Finanzierungsanfrage”. Machine Learning könnte darüber hinaus bei der automatisierten Bontitätsprüfung und der weiteren Risikoprüfung der Finanzierungsanfrage eingesetzt werden.
Die Privatbank Berenberg forscht seit Jahren an KI-Modellen im Bereich Investment & Risk Management Solutions, insbesondere im Overlay Management, welches einem systematischen, aktiven Ansatz zur Absicherung von Vermögenswerten (Overlay Management) folgt. Die KI-Modelle wurden wegen der sukzessiven und zielgerichteten Erweiterung der Inputdaten durch unstrukturierte und alternative Datenquellen über die Jahre schrittweise erweitert. Das Ergebnis ist Berenberg Autonomous Learning Overlay Strategies (ALOS). “ALOS ist darauf ausgelegt, eine optimale Hedging-Strategie aus den Daten zu lernen. Der Algorithmus generiert Modelle, die in der Lage sind, selbstständig alle präsentierten, historischen Trendmuster zu lernen und optimal zu generalisieren. ALOS führt diese Modelle schließlich zu einer diversifizierten Strategie zusammen. Die ALOS-Strategie ist in der Lage, in den Daten einen Edge zu finden und so eine Schlussfolgerung über die zukünftige Marktbewegung des zugrunde liegenden Assets zu ziehen”.
Allerdings, so die Autoren Heiko Dankert und Nico Baum, bleiben einige Unwägbarkeiten. So könne die Komplexität eines KI-Modells die Erklärbarkeit einer Investitionsentscheidung erschweren. Außerdem könne KI nicht auf völlig neue Umstände reagieren, die sie aus Modellen gelernt hat, die auf historischen Daten beruhen.
Im Marketing haben die Algorithmen die Aufgabe, eine Beziehung zwischen den Kundenmerkmalen und dem zu prognostizierenden Kundenverhalten herzustellen. Auf diese Weise wird das Kundenverhalten in ein Modell überführt, das sich aus den unterschiedlichen Ausprägungen der Kundenmerkmale zusammensetzt. “Je besser die Formel und je präziser in der Vergangenheit die Beziehung zwischen Kundenmerkmalen und Kundenverhalten beschrieben wurde, desto besser die Prognose”, so Martin Schmidberger. Bei der Überprüfung der Prognosegüte zeige sich, so Schmidberger, dass die Gradient-Boosting-Modelle den anderen Verfahren, wie der Regression, deutlich überlegen sind und zu den besten Prognoseergebnissen führen.
Fazit
Beim maschinellen Lernen als dem beliebtesten KI-Verfahren geht es im Prinzip um Musterkennung. Diese Muster lassen sich dazu nutzen, Prozesse zu optimieren und — im Idealfall — Wettbewerbsvorteile zu erringen. Da die Methoden des ML generisch sind, ist ihre Anwendung in vielen Aufgabenstellungen möglich — immer vorausgesetzt, dass eine entsprechende Datenbasis vorliegt oder erfasst werden kann. Ohne menschliches Zutun geht es jedoch nicht, damit die Modelle und die aus ihnen abgeleiteten Entscheidungen nachvollziehbar bleiben und nicht diskriminierend sind. Die Validierung von KI-Modellen bekommt künftig noch größeres Gewicht1.
Zuerst erschienen auf Bankstil