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maschinenintelligenz

Obwohl die Automa­tisierung in vie­len Bere­ichen Einzug hält und Abläufe dadurch effizien­ter wer­den, schlägt sich das in den Pro­duk­tiv­itätssta­tis­tiken kaum bis gar nicht nieder. Das ist nicht neu. Vor etlichen Jahren fasste der Wirtschaft­sno­bel­preisträger Robort Solow die Sit­u­a­tion in die Worte: „Com­put­er find­en sich über­all – außer in den Pro­duk­tiv­itätssta­tis­tiken.“ Seit­dem wird das Pro­duk­tiv­itätspara­dox­on der IT (kon­tro­vers) disku­tiert.

Es war jedoch nicht immer so, dass die Automa­tisierung von Tätigkeit­en mit geringer Qual­i­fizierung zu ein­er sink­enden oder stag­nieren­den gesamtwirtschaftlichen Pro­duk­tiv­ität geführt hat. Sie lässt sich immer dann beobacht­en, so der Nobel­preisträger für Wirtschaftswis­senschaften von 2024, Daron Ace­moglu, und Simon John­son in ihrem Buch Macht und Fortschritt. Unser 1000-jähriges Rin­gen um Tech­nolo­gie und Wohl­stand, wenn der Fokus auf die Maschi­nen­in­tel­li­genz und nicht auf die Maschi­nen­nüt­zlichkeit gelegt wird.

Die Ein­führung neuer Tech­nolo­gien bedarf für ihren Erfolg eines entsprechen­den Nar­ra­tivs, das sich wiederum  auf eine großar­tige Vision stützt. So geschehen beim Bau des Suez-Kanals. Dessen Erbauer Fer­di­nand de Lesseps musste zuvor große Wider­stände in seinem Heimat­land Frankre­ich und im Aus­land über­winden, bevor er sein Werk begin­nen und vol­len­den kon­nte. Das Großpro­jekt war ein phänom­e­naler Erfolg, der weltweit Beach­tung fand. Seine Erfahrun­gen ver­suchte de Lesseps 1:1 auf den Bau des Pana­ma-Kanals zu über­tra­gen. Obwohl die Aus­gangslage hier aus geo­graphis­chen und geol­o­gis­chen Grün­den eine völ­lig andere war, ließ sich de Lesseps in seinen Pla­nun­gen davon nicht bee­in­flussen. Sein Fortschritts­glaube und Opti­mis­mus waren so groß, dass er davon überzeugt war, jedes Hin­der­nis mit entsprechen­dem Ein­satz an Men­sch und Mate­r­i­al aus dem Weg räu­men zu kön­nen. Das Pro­jekt scheit­erte den­noch. Auf der Strecke blieben tausende Arbeit­er, die beim Bau ihre Gesund­heit oder ihr Leben ließen.

Lesseps’ Grund­hal­tung war in manch­er Hin­sicht bemerkenswert mod­ern. Mit sein­er Vor­liebe für Großpro­jek­te, sein­er opti­mistis­chen Ein­stel­lung zur Tech­nolo­gie, seinem Glauben an die Macht der Pri­vat­in­ve­storen und seine Gle­ichgültigkeit gegenüber dem Schick­sal all der­er, die keine eigene Stimme hat­ten, würde er gut in die Vor­stand­se­ta­gen viel­er heutiger Unternehmen passen.

Mit den heuti­gen Unternehmen meinen die Autoren in erster Lin­ie die großen Tech­nolo­giekonz­erne wie Google, Ama­zon, Apple und Face­book. Durch ihre Macht kön­nen sie den gesellschaftlichen Diskurs über die Fol­gen der Ein­führung neuer Tech­nolo­gien in ihrem Sinne bee­in­flussen. Das mün­det dann häu­fig in ein­er “Visions­falle”.

Sobald sich eine Vision durchge­set­zt hat, kann sich nur noch schw­er von ihren Fes­seln befreien, weil die Men­schen ihren Lehren in der Regel Glauben schenken. Und selb­stver­ständlich wird es noch viel schlim­mer, wenn sich eine Vision jeglich­er Kon­trolle entzieht, Selb­stüber­schätzung fördert und alle verblendet.

Der Weg, den neue Tech­nolo­gien ein­schla­gen, ist keines­falls vorgeze­ich­net. Ihrem Wesen nach sind sie anwen­dung­sof­fen. Es gibt daher keinen Man­gel an überzeu­gen­den Nar­ra­tiv­en, die alter­na­tive Entwick­lungsp­fade unter­stützen kön­nen. Zur Wahl ste­hen immer zahlre­iche mögliche Ver­wen­dun­gen, mit z.T. sehr unter­schiedlichen Kon­se­quen­zen — vor allem für die gesamtwirtschaftliche Pro­duk­tiv­ität und die Entste­hung neuer oder den Ver­lust beste­hen­der Tätigkeit­en. Pro­duk­tiv­ität­szuwächse als Folge der Ein­führung arbeitss­paren­der Ver­fahren kamen in der Geschichte oft nur ein­er kleinen Elite zugute, wie im Mit­te­lal­ter als die Kirche und der Adel das wirtschaftliche Leben der Men­schen bes­timmten.

Diese schwierige Zeit für die gewöhn­lichen Men­schen hat­te ihren Ursprung darin, dass die kirch­liche und aristrokratis­che Elite die Tech­nolo­gien und die wirtschaftlichen Abläufe so struk­turi­erte, dass es für den Großteil der Bevölkerung schwierig wurde, Wohl­stand zu erwer­ben. Die alltägliche Kon­trolle über die Bevölkerung unter Ein­satz der Überzeu­gungskraft stützte sich auf fest ver­wurzelte religiöse Glaubenssätze, die durch Ein­griffe der Gerichte sowie durch Zwang ergänzt wur­den.

Heute hat eine blinde Tech­nolo­giegläu­bigkeit von vie­len Besitz ergrif­f­en. Der Vorstel­lun­gen wer­den in einem nicht uner­he­blichen Maß von großen dig­i­tal­en Plat­tfor­men geformt. Da sie auf einen großen Bestand an Dat­en zugreifen kön­nen, welche die Nutzerin­nen und Nutzer hin­ter­lassen, sind sie in der Lage, deren Ver­hal­ten in die gewün­scht­en Bah­nen zu lenken. Soshana Zuboff spricht in dem Zusam­men­hang von einem “Überwachungskap­i­tal­is­mus. Beson­ders extrem ist diese Form der ständi­gen Überwachung und Lenkung in Chi­na mit dem Sozialkred­it­sys­tem.

Die Geschichte lehrt uns, dass wir die Vorstel­lun­gen davon, was als Fortschritt zu beacht­en ist und was nicht, stets sorgfältig prüfen soll­ten — ins­beson­dere, wenn mächtige Per­so­n­en bemüht sind, uns für eine bes­timmte Vision zu gewin­nen.

Die neue Supertech­nolo­gie, welche einen Pro­duk­tiv­itätss­chub bis­lang ungekan­nten Aus­maßen her­beiführen soll, ist die Gen­er­a­tive Kün­stliche Intel­li­genz bzw. die Kün­stliche Intel­li­genz an sich. Zwar ist es gelun­gen, ein bre­ites Spek­trum an Rou­tineauf­gaben durch Kün­stliche Intel­li­genz (z.B. RPA) zu erledi­gen; von ein­er Rev­o­lu­tion kann indes keine Rede sein. Bis heute ist es den Meth­o­d­en der Kün­stlichen Intel­li­genz nicht möglich, den Men­schen zu erset­zen. Das liegt vor allem daran, dass ihnen die soziale Kom­po­nente fehlt und sie sich nicht oder nur sehr schw­er auf verän­derte Umweltbedingungen/Situationen ein­stellen kön­nen. Kurzum: Ihnen fehlt die soziale und sit­u­a­tive Intel­li­genz1.

Es ist daher nicht weit­er ver­wun­der­lich, dass viele Unternehmen ungeachtet der Aus­bre­itung von KI-Tech­nolo­gien in zunehmen­dem Maße Arbeit­skräfte mit sozialen statt math­e­ma­tis­chen oder tech­nis­chen Kom­pe­ten­zen suchen. Ursache dieser wach­senden Nach­frage nach sozialen Kom­pe­ten­zen ist die Tat­sache, dass wed­er tra­di­tionelle dig­i­tale Tech­nolo­gien noch KI wichtige Auf­gaben erledi­gen kön­nen, die mit sozialer Inter­ak­tion, Anpas­sung, Flex­i­bil­ität und Kom­mu­nika­tion ver­bun­den sind.

Solange der Schw­er­punkt der Entwick­lung auf der Maschi­nen­in­tel­li­genz liegt, die den sit­u­a­tiv­en und sozialen Aspekt der men­schlichen Kog­ni­tion und dynamis­che Ver­hal­tensän­derun­gen nicht umfassend ver­ste­hen und nachvol­lziehen kann, wer­den  die Defizite der KI, wie in Form der Über­an­pas­sung (Over­fit­ting), zu unbe­friedi­gen­den Ergeb­nis­sen führen2.

Um die Pro­duk­tiv­ität zu erhöhen und dabei neue Tätigkeit­en zu schaf­fen, ist eine stärkere Berück­sich­ti­gung der Maschi­nen­nüt­zlichkeit nötig. So kön­nen neue Tech­nolo­gie dazu beitra­gen, bessere Infor­ma­tio­nen und Plat­tfor­men für die Zusam­me­nar­beit und Entwick­lung neuer Tätigkeit­en zu liefern und dadurch die Pro­duk­tiv­ität der Arbeit­skräfte zu erhöhen. Beispiel­haft dafür ist das Indus­trielle Metaver­sum. Diesen Effekt gab es bere­its in der Ver­gan­gen­heit, als im Zuge der Elek­tri­fizierung die Inge­nieure und Angestell­ten an Ein­fluss gewan­nen, indem sie Fab­riken und den Pro­duk­tion­sprozess restruk­turi­erten, was sich wiederum pos­i­tiv auf die Pro­duk­tiv­ität und die Arbeits­be­din­gun­gen auswirk­te.

Diese Angestell­ten erneuerten die Fab­rik und macht­en sie effizien­ter. Dies hat­te eine steigende Nach­frage nach Arbeit­skräften zur Folge — nicht nur nach Angestell­ten, son­dern auch nach Arbeit­ern, die ganz neue Auf­gaben über­nah­men.

Damit jedoch die Pro­duk­tiv­ität ihre Sog­wirkung ausüben kann, müssen zwei Bedin­gun­gen erfüllt sein: Die Gren­zpro­duk­tiv­ität der Arbeit­skräfte muss steigen und diese müssen sich in ein­er aus­re­ichen starken Ver­hand­lungspo­si­tion befind­en3.

Die Autoren nen­nen als loben­des Beispiel die Mitbes­tim­mung und die duale Aus­bil­dung in Deutsch­land.

Schluss­be­tra­ch­tung

Die Autoren leg­en überzeu­gend dar, weshalb die derzeit­ige Fix­ierung auf Dig­i­tal­isierung und Kün­stliche Intel­li­genz die Ungle­ich­heit in der Gesellschaft ver­stärkt. Pro­duk­tiv­itätssteigerun­gen, so sie über­haupt gegeben sind, fall­en einem kleinen Per­so­n­enkreis zu. Mit immer neuen Ver­sprechen, dass die neuen Tech­nolo­gien unser aller Los verbessern wer­den, lock­en Inve­storen, Start­up-Unternehmer und Berichter­stat­ter die Men­schen in eine Visions-Falle. Ohne Gegen­wehr, ohne das Aufzeigen alter­na­tiv­er Wege, wie neue Tech­nolo­gien zum Nutzen und zum Wohle möglichst viel­er Men­schen beitra­gen kön­nen, wird selb­st eine deut­lich steigende Pro­duk­tiv­ität nicht zu mehr Wohl­stand für alle führen. Die Zukun­ft ist keineswegs vorbes­timmt. Ein Tech­nolo­gie-Deter­min­is­mus existiert nicht. Es liegt an uns, an der Gesellschaft, welchen Weg wir ein­schla­gen wollen. Ob das von Ace­moglu und John­son vorgelegte Rah­men­pro­gramm (z.B. Sub­ven­tio­nen für Tech­nolo­gien, die den Arbeit­san­teil erhöhen und die men­schliche Arbeit­skraft ergänzen, Zer­schla­gung der Tech-Konz­erne, Investi­tio­nen in Arbeit­skräfte) das geeignete Mit­tel ist, sei dahin gestellt.

Unstrit­tig sollte indes sein, dass Tech­nolo­gien nicht sich selb­st über­lassen wer­den dür­fen und ihre Ver­wen­dung gesellschaftlichen Entschei­dun­gen unter­liegen sollte.

Den Autoren kommt das Ver­di­enst zu, den Zusam­men­hang zwis­chen tech­nol­o­gis­chem Fortschritt und des ihn beglei­t­en­den gesellschaftlichen Wan­dels anschaulich dargestellt zu haben.

  1. Bis­lang hat der Befund von Hubert Drey­fus Bestand: “Meine Ver­mu­tung lautet nach wie vor, dass die KI-Ver­fahren sich in isolierten Bere­ichen bewähren wer­den, aber dort ver­sagen müssen, wo es um das Ver­ste­hen natür­lich­er Sprachen, das Erken­nen gesproch­en­er Texte, das Ver­ste­hen von Geschicht­en und um Ler­nen geht – also um Bere­iche, deren Struk­tur die Struk­tur unser­er alltäglichen physikalis­chen und gesellschaftlichen Welt wider­spiegelt”, in: Die Gren­zen kün­stlich­er Intel­li­genz. Was Com­put­er nicht kön­nen. Sog. LLM basieren nicht auf dem Ver­ste­hen, son­dern auf sta­tis­tis­chen Wahrschein­lichkeit­en[]
  2. “.. die Über­an­pas­sung bleibt ein Stachel im Fleisch sta­tis­tis­ch­er Meth­o­d­en, weil sie in ein­er grundle­gen­den Weise mit den Unzulänglichkeit­en des gegen­wär­ti­gen KI-Hypes zusam­men­hängt: Dem Fehlen ein­er The­o­rie der Phänomene, die mod­el­liert wer­den sollen”. []
  3. Aktuelles Beispiel: Hol­ly­wood writ­ers’ strike ends with first-ever pro­tec­tions against AI[]

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