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Was passiert, wenn ein Manager nach Jahren der Abstinenz plötzlich wieder programmiert – und dabei dank KI produktiver wird als seine besten Entwickler? Ein Erfahrungsbericht über die Revolution des Codens durch “Vibe Coding” und “Agentic AI” bei Skydio1Agentic AI has changed my career.
Es ist das schmutzige Geheimnis vieler Tech-Manager: Sie sind einst als Entwickler gestartet, doch die Karriereleiter hat sie vom Code weggeführt. Meetings, Budgets und Personalentscheidungen haben die Tastaturen ersetzt. Der Wunsch, “einfach mal schnell in den Code zu springen”, bleibt meist unerfüllt – bis jetzt.
Das Dilemma des modernen Tech-Managers
Die Geschichte beginnt mit einer vertrauten Frustration. Ein Manager bei Skydio, dem Drohnenhersteller, beschreibt sein Dilemma: Nach nur wenigen Jahren Entwicklungserfahrung wurde er Manager, später Direktor eines 20-köpfigen Teams. Während seine Entwickler täglich in Multi-Millionen-Zeilen-Repositories arbeiten, blieb ihm nur der Blick von außen. Jeder Versuch, direkt beizutragen, scheiterte an der schlechten Aufwand-Nutzen-Relation.
Diese Situation kennen viele: Die technische Kompetenz verkümmert, während die Managementaufgaben wachsen. Doch was, wenn KI dieses Dilemma lösen könnte?
Vibe Coding: Wenn KI zum Programmierpartner wird
Der Wendepunkt kam mit dem sogenannten “Vibe Coding” – einer Form des KI-gestützten Pair Programming. Statt allein vor dem Bildschirm zu sitzen, wird die KI zum ständigen Partner. Mal übernimmt der Mensch die Führung (Driver), mal die KI (Observer). Die Iterationszyklen sind kurz, gemessen in Sekunden, nicht Stunden.
Zunächst ging es um die einfachen Dinge: UI-Bugs, Designkorrekturen, Textänderungen – all jene kleinen Ärgernisse, für die Entwickler keine Zeit haben. “Change the copy on this page” oder “this page looks weird if you shrink it” wurden zu lösbaren Aufgaben, selbst ohne TypeScript-Kenntnisse.
Die erste Erkenntnis war ernüchternd: Mit 0,5‑facher Geschwindigkeit eines Entwicklers war man langsamer als erhofft. Aber man war produktiv – und das war ein Anfang.
Die Kraft der Parallelisierung
Der Durchbruch kam mit einer unkonventionellen Lösung: Warum eine KI verwenden, wenn man drei haben kann? Bei einem besonders hartnäckigen Bug in Relay setzte der Manager drei verschiedene Workspaces mit drei verschiedenen KI-Modellen (Gemini, Claude, GPT) und drei verschiedenen Prompts ein. Ein regelrechter DDoS-Angriff auf das Problem mit Optimismus als Waffe.
Das Ergebnis: Nach einer Stunde fand der zweite Workspace die Lösung. Diese Erfahrung führte zu einer neuen Arbeitsweise – nicht mehr eine KI für ein Problem, sondern drei KIs für drei Probleme parallel. Die Produktivität verdreifachte sich.
Der Kontext macht den Unterschied
Mit steigender Geschwindigkeit kamen neue Herausforderungen. In Skydios archäologischer Ausgrabungsstätte eines Repositories – zehn Jahre Entwicklungsgeschichte mit halbfertigen Migrationen und Anti-Patterns – produzierte die KI Code, der sich an veralteten Praktiken orientierte.
Die Lösung: Kontextdateien. Windsurf Rules, einfache Markdown-Dateien mit Coding-Standards und Best Practices, die automatisch in jeden Prompt eingespeist werden. Iterative Verbesserung dieser Kontextdateien wurde zum Schlüssel für bessere Ergebnisse.
Die Erkenntnis für Manager: KI löst Probleme nicht automatisch. Man muss in das Tooling investieren.
Agentic AI: Wenn die KI zum Praktikanten wird
Der nächste Evolutionsschritt führte von “Vibe Coding” zu “Agentic AI”. Statt sekundenbasierter Interaktion arbeitet die KI wie ein ambitionierter Praktikant – sie übernimmt ganze Aufgaben und berichtet erst bei Fertigstellung zurück.
Coder Tasks automatisieren den gesamten Workflow: von der Workspace-Erstellung über die Entwicklung bis hin zum Pull Request in GitHub. Der Manager muss nicht mehr jeden Schritt überwachen, sondern kann dutzende Tasks parallel starten.
Die Demokratisierung des Programmierens
Mit der Integration von MCPs (Model Context Protocols) für GitHub und Playwright erreichte die Automatisierung eine neue Dimension. Die KI kann nun:
- GitHub Issues lesen und Pull Requests erstellen
- Browser automatisch navigieren und testen
- Feedback aus Pull Requests verarbeiten
- Eigenständig iterieren ohne menschliche Eingabe
Das Resultat: Der Manager wurde zu einem der Top-5-Contributor bei Skydio mit bis zu zehn Pull Requests pro Stunde. Aber wichtiger noch – Designer können nun Farbkorrekturen einreichen, Produktmanager Texte anpassen, und Testteams Bugs direkt beheben.
Die neue Realität
Diese Entwicklung markiert einen Wendepunkt. KI demokratisiert das Programmieren und macht es Menschen zugänglich, die bisher ausgeschlossen waren. Die Grenze zwischen technischen und nicht-technischen Rollen verschwimmt.
Für Manager bedeutet das: Sie können wieder direkt zum Code beitragen, ohne Jahre der Weiterbildung. Für Teams bedeutet es: Jeder kann zur Verbesserung des Produkts beitragen, unabhängig von seiner technischen Rolle.
Ausblick: Die Zukunft des Programmierens
Was bei Skydio begann, ist mehr als ein Einzelfall. Es ist ein Vorgeschmack auf eine Zukunft, in der die Barrieren zwischen Idee und Implementation fallen. Wenn KI die technische Umsetzung übernimmt, wird Programmieren zu einer Kommunikationsfähigkeit – der Kunst, Probleme zu beschreiben und Lösungen zu definieren.
Die Frage ist nicht mehr, ob man programmieren kann, sondern ob man weiß, was man programmieren will. In dieser neuen Welt werden die wertvollsten Fähigkeiten Problemverständnis, Kontextaufbau und strategisches Denken sein – genau die Fähigkeiten, die gute Manager ohnehin mitbringen.