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„Metas KI kann Gedanken mit 80-prozentiger Genauigkeit lesen“, titel­ten die Online-Medi­en „futurezone.at“ und „MSN Microsoft News“. Ähn­liche Schlagzeilen pro­duzierten zahlre­iche englis­chsprachige Nachricht­en­por­tale, darunter „squaredtech.co“ und techdogs.com. Manche davon erwäh­n­ten später im Text, dass es sich um eine „bis zu 80-prozentige Genauigkeit“ han­deln würde. Sie alle berufen sich auf eine Studie mit 35 Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmern, die in Zusam­me­nar­beit von Meta, dem Konz­ern hin­ter Face­book, und dem Bask­ischen Zen­trum für Kog­ni­tion, Gehirn und Sprache durchge­führt wurde.

Die Tech­nolo­gie dekodiert Sig­nale, die mit­tels Elek­tro- (EEG) oder Mag­ne­toen­zephalo­gra­phie (MEG) gener­iert wer­den, während die Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmer ver­schiedene Sätze auf ein­er Tas­tatur ein­tip­pen. Wenn es gelingt, die Sätze anhand der Sig­nale zu rekon­stru­ieren, entspricht das ein­er Art „Gedanken­le­sen“ durch die Kün­stliche Intel­li­genz (KI) von Meta – wen­ngle­ich nur unter stark ein­schränk­enden Laborbe­din­gun­gen.

Dazu mussten sich die Probandin­nen und Proban­den in einem mag­netisch abgeschirmten Raum an einen überdi­men­sion­ierten Stuhl anschließen lassen, der ihre Gehirn­ströme messen kon­nte. Sie beka­men Wort für Wort kurze Sätze einge­blendet, die sie sich merken soll­ten; danach wur­den sie durch ein visuelles Sig­nal aufge­fordert, den Satz in eine han­del­sübliche Tas­tatur einzu­tip­pen. Im Anschluss wurde ver­glichen, wie viel Prozent der Buch­staben von der KI richtig vorherge­sagt wur­den. Brain2Qwerty dekodiert dazu ein­er­seits die motorischen Sig­nale, die vom Gehirn gesendet wer­den, um die Fin­ger­be­we­gun­gen auf der Tas­tatur auszulösen. Dazu kann man aus­nutzen, dass bes­timmte Buch­staben auf­grund ihrer Posi­tion­ierung eher mit der recht­en Hand, andere eher mit der linken Hand getippt wer­den. Fehler beim Dekodieren passieren oft, weil benach­barte Tas­ten von der Dekodierungs-Tech­nolo­gie ver­wech­selt wer­den. Im Anschluss verknüpft die KI die dekodierten Buch­staben­fol­gen mit einem großen Sprach­mod­ell (Large Lan­guage Mod­el, LLM), um sicherzustellen, dass die vorherge­sagten Wörter existieren und in ihrer Abfolge plau­si­bel sind. Damit kön­nen Tippfehler von der KI kor­rigiert wer­den.

Von ein­er 80-prozenti­gen Gesamt­ge­nauigkeit ist die KI (noch) weit ent­fer­nt

Nach ein­er Train­ingsphase, in der die Tech­nolo­gie die Verbindung von Sig­nalen und getippten Buch­staben erlernte, soll­ten neue, der KI unbekan­nte Sätze vorherge­sagt wer­den. In den besten Einzelfällen kon­nte die KI 81 Prozent der emp­fan­genen Sig­nale richtig vorher­sagen, in den schlecht­esten hinge­gen nur 29 Prozent. Im Schnitt kon­nte die KI nicht – wie die Schlagzeilen sug­gerieren – 80 Prozent, son­dern lediglich 68 Prozent der mit­tels MEG emp­fan­genen Sig­nale richtig vorher­sagen; bei Ver­wen­dung von EEG waren es lediglich 33 Prozent. Von ein­er 80-prozenti­gen Genauigkeit ins­ge­samt, also nicht nur in Aus­nah­me­fällen, ist die Tech­nolo­gie also noch weit ent­fer­nt.

Nichts­destotrotz sind das beachtliche Ergeb­nisse, die weit bess­er sind als bloßes Rat­en von Buch­staben. Ins­beson­dere mit der Verbindung mit dem LLM hat man ver­glichen mit früheren Dekodierungs-Tech­nolo­gien – die schon seit knapp zehn Jahren existieren – einen großen Fortschritt erre­icht. Der­ar­tige KI-Sys­teme kön­nten beispiel­sweise zukün­ftig Patien­ten helfen, die ihre Fähigkeit zu sprechen oder zu tip­pen ver­loren haben, aber sich Wörter noch Buch­stabe für Buch­stabe vorstellen und diese gedanklich auf ein­er Tas­tatur lokalisieren kön­nen. Aber es hat wenig mit dem zu tun, was wir üblicher­weise unter „Gedanken­le­sen“ ver­ste­hen. Ins­beson­dere „ver­ste­ht“ die KI nicht den Sinn des Gedacht­en.

Der Zeit­punkt, an dem KI Ihre Gedanken lesen kann, liegt deshalb sich­er noch ein ganzes Stück in der Zukun­ft. Gle­ich­wohl kön­nte es gut sein, dass dieser Moment früher ein­tritt als der­jenige, an dem Tech-Jour­nal­istin­nen und ‑Jour­nal­is­ten solche Stu­di­en richtig lesen und inter­pretieren kön­nen.

Quelle: IDW

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