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Ein strukturelles Dilemma der deutschen Wirtschaft liegt tiefer als Infrastruktur oder Datenpolitik – es betrifft das Selbstverständnis deutscher Wirtschaftskultur. Jahrzehntelang war „Made in Germany“ ein Synonym für Präzision, Langlebigkeit und technische Perfektion. Dieses Qualitätsversprechen entstand aus der klassischen Ingenieurskunst: minimale Toleranzen, maximale Haltbarkeit, höchste Fertigungskunst.
Doch im digitalen Zeitalter bemisst sich Qualität anders. Hier zählt nicht nur Präzision im technischen Detail, sondern Geschwindigkeit, Skalierbarkeit, Nutzerzentrierung, Interoperabilität – und die Fähigkeit, Produkte permanent zu aktualisieren. Ein Softwareprodukt mit kleinen Fehlern, das schnell am Markt ist und sich kontinuierlich verbessern lässt, kann erfolgreicher sein als ein perfektes Produkt, das zu spät kommt. Für eine Kultur, die Perfektion als Eintrittskarte versteht, ist diese Logik fremd.
Hinzu kommt eine mentalitätsbedingte Innovationsbremse: Viele deutsche Unternehmen stellen bei Neuerungen fast reflexartig die Frage „Was bringt das konkret – jetzt?“ Das ist nachvollziehbar aus Sicht der Effizienz, führt aber zu einer Verengung des Blickfelds. Statt visionäre Sprünge zu wagen, werden bestehende Prozesse optimiert. Manchmal so lange, bis der Markt längst woanders ist.
Die Frage ist daher: Brauchen wir eine Form von großem, verbindendem Zukunftsprojekt – ein „Airbus der digitalen Wirtschaft“? Ein europäisches Programm, das nicht nur inkrementelle Verbesserungen, sondern radikale Innovationen ermöglicht, getragen von Politik, Wirtschaft und Forschung gleichermaßen? Die Antwort hängt nicht nur von Kapital und Technologie ab, sondern von der Bereitschaft, Unsicherheit zu akzeptieren und bewusst in unbekanntes Terrain zu investieren.
Genau hier stellt sich die unbequeme Frage, ob unsere Unternehmer und Manager in der Breite überhaupt zu echten Innovationen in der Lage sind – also zu Entwicklungen, die nicht als Antwort auf einen konkreten Kundenauftrag oder eine unmittelbare Marktchance entstehen, sondern aus der Antizipation künftiger Möglichkeiten. Solange Erfolg in Quartalsberichten und nicht in langfristigen Innovationszyklen gemessen wird, bleibt die Gefahr groß, dass wir zwar präzise Produkte herstellen, aber die falschen.
Weitere Fragen, die sich daran anschließen:
- Welchen Beitrag könnte die agentenbasierte KI dazu leisten, das deutsche Wirtschaftsmodell so zu verändern, dass Qualität und Präzision in dem zuvor beschriebenen Sinne zum Markenzeichen deutscher Produkte und Services werden?
- Welche Rolle könnten dabei meteorologische Verfahren, wie die Metrology Cloud, leisten?
- Wie schaffen wir es, skalierbare Lösungen zu entwickeln, die vorwiegend über deutsche oder europäische Plattformen abgewickelt werden?
- Welche organisatorischen, technologischen, politischen und personellen Voraussetzungen müssen dafür erst noch geschaffen werden?