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Niklas Luh­manns leg­endär­er Zettelka­s­ten lässt sich in viel­er­lei Hin­sicht als Vor­läufer oder analoges Mod­ell für große Sprach- oder KI-Mod­elle inter­pretieren, auch wenn er sich in eini­gen zen­tralen Aspek­ten davon unter­schei­det.

Struk­tur und Funk­tion­sweise

  • Luh­manns Zettelka­s­ten bestand aus etwa 90.000 Zetteln, die jew­eils einzelne Gedanken, Noti­zen oder Beobach­tun­gen enthiel­ten. Diese Zettel waren durch ein kom­plex­es Sys­tem von Num­merierun­gen und Querver­weisen miteinan­der ver­bun­den, sodass ein dicht­es Net­zw­erk von Beziehun­gen ent­stand.
  • Die Verknüp­fun­gen zwis­chen den Zetteln funk­tion­ieren ähn­lich wie Hyper­links oder die Knoten in einem neu­ronalen Netz, wie es auch bei mod­er­nen KI-Mod­ellen der Fall ist.
  • Der Zettelka­s­ten diente Luh­mann als „Zweitgedächt­nis“ und wurde von ihm als kyber­netis­ches Sys­tem beschrieben, das durch seine Ord­nungs- und Ver­weis­struk­tur als „Über­raschungs­gen­er­a­tor“ fungierte und sys­tem­a­tisch neue, nicht offen­sichtliche Verbindun­gen und Ideen her­vor­brachte.

Par­al­le­len zu Sprach- und KI-Mod­ellen

  • Wie ein Sprach­mod­ell spe­ichert der Zettelka­s­ten Wis­sen nicht lin­ear, son­dern in einem Netz aus Beziehun­gen, das neue Kom­bi­na­tio­nen und Assozi­a­tio­nen ermöglicht.
  • Die Art, wie Luh­mann den Kas­ten als Denkpart­ner und „Über­raschungs­gen­er­a­tor“ beschreibt, erin­nert an die Fähigkeit von KI-Mod­ellen, auf Basis von Train­ings­dat­en eigen­ständig neue, nicht expliz­it gespe­icherte Inhalte zu gener­ieren.

Unter­schiede und Gren­zen

  • Luh­manns Zettelka­s­ten war ein analoges, voll­ständig manuell gepflegtes Sys­tem, das auf bewussten Entschei­dun­gen und intellek­tueller Arbeit beruhte. Im Gegen­satz dazu ler­nen KI-Mod­elle sta­tis­tisch und automa­tisiert aus riesi­gen Daten­men­gen.
  • Der Zettelka­s­ten ist nicht im engeren Sinne „intel­li­gent“: Er benötigt immer einen men­schlichen Nutzer, der Fra­gen stellt, Zettel auswählt und Verbindun­gen inter­pretiert.
  • Während KI-Mod­elle wie GPT Sprache gener­ieren und auf beliebige Anfra­gen reagieren kön­nen, ist der Zettelka­s­ten ein Werkzeug zur Wis­sensor­gan­i­sa­tion und ‑explo­ration, das keine eige­nen Antworten for­muliert, son­dern Mate­r­i­al für neue Gedanken bere­it­stellt.

Faz­it

Luh­manns Zettelka­s­ten kann als analoges Vor­bild für die Funk­tion­sweise großer Sprach- und KI-Mod­elle betra­chtet wer­den, ins­beson­dere was die Net­zstruk­tur, die kreative Kom­bi­na­torik und die Rolle als Denkw­erkzeug bet­rifft. Er ist jedoch kein KI-Sys­tem im tech­nis­chen Sinn, son­dern bleibt ein von Men­schen ges­teuertes, aber hochgr­a­dig ver­net­ztes Wis­senssys­tem, das viele Prinzip­i­en mod­ern­er KI vor­weg­n­immt.

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