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Michael Polanyi prägte das Konzept des „impliziten Wissens“ (engl. tacit knowledge) und betonte, dass ein Großteil unseres Wissens nicht explizit, also nicht sprachlich oder formal ausgedrückt werden kann. Sein berühmtes Diktum lautet: „Wir wissen mehr, als wir sagen können“. Polanyi entwickelte diese Theorie aus der Beobachtung wissenschaftlicher Praxis heraus und stellte fest, dass viele Fähigkeiten und Kenntnisse – etwa handwerkliche Fertigkeiten, das Erkennen von Mustern oder das Treffen kreativer Entscheidungen – auf Erfahrungswissen beruhen, das sich schwer oder gar nicht in Worte fassen lässt.
Kernelemente des Konzepts
Dimensionen des impliziten Wissens
- Polanyi unterscheidet zwischen explizitem Wissen (klar formulierbar, z.B. Fakten, Regeln) und implizitem Wissen (Erfahrungen, Fähigkeiten, Wahrnehmungen, Intuitionen).
- Implizites Wissen umfasst sowohl praktisches als auch theoretisches Wissen, das nicht oder nur schwer expliziert werden kann, etwa wie man Fahrrad fährt oder ein Gesicht erkennt.
Struktur des impliziten Wissens
- Polanyi beschreibt einen Wahrnehmungsprozess, bei dem Einzelheiten einer Gestalt oder eines Objekts meist unbewusst wahrgenommen und zu einem Ganzen integriert werden. Die Einzelheiten bleiben dabei im Hintergrund, während das Gesamtergebnis ins Bewusstsein tritt.
- Er spricht von zwei Polen (Termini): dem „distalen“ (im Hintergrund, unbewusst) und dem „fokalen“ (im Vordergrund, bewusst). Das distale Wissen unterstützt das fokale, bleibt aber selbst nicht direkt zugänglich.
Aktiver Charakter des Wissens
- Wissenserwerb ist nach Polanyi ein aktiver Prozess: Menschen formen und organisieren ihre Erfahrungen selbstständig und schöpferisch.
- Die Übertragung impliziten Wissens erfolgt meist durch Nachahmung, Beobachtung und praktische Erfahrung, etwa in der Meister-Lehrling-Beziehung.
Bedeutung und Rezeption
- Polanyis Konzept wurde besonders im Wissensmanagement und in der Organisationslehre (u.a. durch Nonaka & Takeuchi) aufgegriffen, um zu erklären, wie Wissen in Unternehmen entsteht und weitergegeben wird.
- Er kritisierte die damalige Wissenschaftstheorie, die Wissen vor allem als explizit, rational und formalisierbar betrachtete, und betonte den Wert von persönlichem, erfahrungsbasiertem Wissen.
Wir nähern uns hier der entscheidenden Frage. Erklärtes Ziel der modernen Wissenschaft ist es, ein unabhängiges und streng objektives Wissen zu erstellen. Jedes Zurückbleiben hinter diesem Ideal wird allenfalls als vorübergehende und zu beseitigende Unzulänglichkeit geduldet. Angenommen jedoch, implizite Gedanken bildeten einen unentbehrlichen Bestandteil allen Wissens, so würde das Ideal der Beseitigung aller persönlichen Elemente des Wissens de facto auf die Zerstörung allen Wissens hinauslaufen. Das Ideal exakter Wissenschaft erwiese sich dann als grundsätzlich in die Irre führend und möglicherweise als Ursprung verheerender Trugschlüsse (Quelle: Implizites Wissen).
Beispiel für implizites Denken
Ein klassisches Beispiel Polanyis: Wir erkennen ein Gesicht wieder, können aber oft nicht genau angeben, woran wir es erkannt haben – die Einzelheiten bleiben implizit, das Ergebnis (die Wiedererkennung) ist explizit.
Fazit
Polanyis Konzept des impliziten Denkens hebt hervor, dass ein großer Teil unseres Wissens und Könnens auf unbewussten, schwer formulierbaren Erfahrungen basiert, die für kreatives Handeln, Lernen und wissenschaftliche Entdeckungen unverzichtbar sind
Inwieweit sind Generative KI und KI-Systeme in der Lage, implizites Wissen abzubilden?
Generative KI und KI-Systeme allgemein können Aspekte des impliziten Wissens indirekt erfassen und nutzbar machen, allerdings mit klaren Grenzen. Hier die zentralen Erkenntnisse:
Möglichkeiten der KI
- Mustererkennung in Daten: KI-Systeme analysieren große Mengen unstrukturierter Daten (z. B. Gesprächsprotokolle, E‑Mails, Sensordaten) und identifizieren Muster, die auf implizite Praktiken hinweisen. Beispielsweise können wiederkehrende Problemlösungsstrategien in Mitarbeiterberichten erkannt werden.
- Transformation durch multimodale Modelle: Moderne Sprachmodelle verarbeiten Text, Bilder und Audio, um implizites Wissen aus narrativen Formaten (z. B. Erfahrungsberichten) in strukturierte Handlungsanweisungen umzuwandeln. Dies beschleunigt die Externalisierung von Wissen.
- Echtzeit-Unterstützung für Mitarbeiter: KI-gestützte Tools wie Connected-Worker-Plattformen erfassen Handlungen erfahrener Mitarbeiter und geben kontextspezifische Hinweise in Echtzeit – etwa bei Wartun…