Getting your Trinity Audio player ready...

Während die Poli­tik von deutschen Foun­da­tion Mod­els und KI-Lead­er­ship träumt, ent­lassen Sales­force, SAP und Accen­ture bere­its Tausende von Mitar­beit­ern. Eine kri­tis­che Analyse der Kluft zwis­chen poli­tis­chen Zukun­ftsvi­sio­nen und wirtschaftlich­er Real­ität in Zeit­en der gen­er­a­tiv­en KI-Rev­o­lu­tion.


Die Denk­fab­rik des Bun­de­sar­beitsmin­is­teri­ums malt ein ambi­tion­iertes Bild: Deutsch­land als KI-Inno­va­tions­führer, eigene Foun­da­tion Mod­els, spezial­isierte Nis­chen­lö­sun­gen und sta­bile Beschäf­ti­gung trotz tech­nol­o­gis­ch­er Rev­o­lu­tion. Die Studie „Gen­er­a­tive KI – Tech­nolo­gieszenar­ien und Auswirkun­gen auf Arbeit bis 2030″ entwick­elt drei Pfade für die deutsche Wirtschaft, von denen zwei – das „Wet­tbe­werb­s­fähige KI-Ökosys­tem” und die „Inno­va­tion­skraft der Hid­den Cham­pi­ons” – auf sub­stanzielle deutsche Tech­nolo­gieführerschaft set­zen. Nur ein Szenario, das des „Zaun­gasts der KI-Rev­o­lu­tion”, rech­net mit fort­ge­set­zter Abhängigkeit von US-amerikanis­chen Anbi­etern.

Diese Gewich­tung wirkt angesichts der aktuellen Entwick­lun­gen bemerkenswert opti­mistisch. Während die Studie noch von Beschäf­ti­gungssicher­heit und Pro­duk­tiv­itätssteigerun­gen spricht, vol­lzieht sich in der Real­ität bere­its eine andere Geschichte: Sales­force kündigte Anfang 2024 die Ent­las­sung von 10.000 Mitar­beit­ern an, SAP reduziert Per­son­al in tra­di­tionellen Bere­ichen, und Accen­ture stre­icht Tausende von Stellen – jew­eils mit explizitem Ver­weis auf KI-bed­ingte Effizien­zgewinne1Die KI-Rev­o­lu­tion: Wenn Automa­tisierung zur Bedro­hung wird. Die gen­er­a­tive KI erweist sich nicht als Beschäf­ti­gungsmo­tor, son­dern als Ratio­nal­isierungsin­stru­ment.

Die Illu­sion der tech­nol­o­gis­chen Aufhol­jagd

Beson­ders frag­würdig erscheint die Annahme, Deutsch­land könne „mal eben” eigene Foun­da­tion Mod­els entwick­eln oder sich als Mark­t­führer für spezial­isierte KI-Lösun­gen etablieren. Diese Ein­schätzung ignori­ert sowohl die enor­men Ressource­nan­forderun­gen für KI-Entwick­lung als auch die struk­turellen Schwächen der deutschen Wirtschaft. Die Kosten für das Train­ing großer Sprach­mod­elle bewe­gen sich im dreis­tel­li­gen Mil­lio­nen­bere­ich, die notwendi­gen Daten­sätze sind oft pro­pri­etär in amerikanis­chen oder chi­ne­sis­chen Hän­den, und die erforder­liche Chip­ka­paz­ität wird von weni­gen glob­alen Play­ern kon­trol­liert.

Gle­ichzeit­ig kämpfen die deutschen Indus­triesek­toren, die tra­di­tionell als Inno­va­tion­streiber gal­ten, mit fun­da­men­tal­en Prob­le­men. Der Maschi­nen­bau ver­liert Mark­tan­teile an asi­atis­che Konkur­renten, die Auto­mo­bilin­dus­trie hinkt bei der E‑Mobilität hin­ter­her, und die Chemiein­dus­trie lei­det unter hohen Energiekosten. Die viel­ge­priese­nen „Hid­den Cham­pi­ons” des Mit­tel­stands ste­hen vielerorts vor dem Aus – nicht wegen man­gel­nder Inge­nieurskün­ste, son­dern wegen ver­passter Dig­i­tal­isierung und star­rer Denkstruk­turen. Aus­gerech­net von dieser erodieren­den Basis aus soll nun der Sprung zur KI-Führerschaft gelin­gen? Die Stu­di­en­mach­er scheinen die Gegen­wart nicht nur lin­ear in die Zukun­ft zu pro­jizieren, son­dern dabei auch noch die rosarote Brille aufzube­hal­ten.

Real­itätscheck: Deutsch­land ohne Illu­sio­nen

Was bleibt, wenn man die Mythen bei­seite lässt? Ein Land mit schrumpfend­er Indus­trieba­sis, über­al­tern­der Bevölkerung und ein­er Inno­va­tion­skul­tur, die Behar­rung über Verän­derung stellt. Die deutsche „Gründlichkeit” wird zur Langsamkeit, wenn amerikanis­che Star­tups in Monat­en entwick­eln, wofür deutsche Unternehmen Jahre brauchen. Die berühmte „Inge­nieurskun­st” erweist sich als Hemm­schuh, wenn Soft­ware wichtiger wird als Hard­ware.

Das Prob­lem liegt weniger in der tech­nol­o­gis­chen Abhängigkeit als in der scho­nungslosen Selb­stüber­schätzung. Die ver­meintlichen deutschen Stärken erweisen sich bei näherem Hin­se­hen als Schwächen: Die viel­gerühmte Inge­nieurstra­di­tion hat maßge­blich dazu beige­tra­gen, dass deutsche Auto­her­steller den Über­gang zur Elek­tro­mo­bil­ität ver­schlafen haben – Tes­la war schneller, chi­ne­sis­che Her­steller sind bil­liger. Der deutsche Mit­tel­stand, einst als „Hid­den Cham­pi­ons” gefeiert, kämpft vielerorts ums Über­leben. Präzi­sion und Qual­itäts­stan­dards helfen wenig, wenn die Konkur­renz dig­i­tale Geschäftsmod­elle entwick­elt, während deutsche Unternehmen noch an mech­a­nis­chen Lösun­gen feilen. Und mit Daten­schutz und Ethik allein lässt sich kein Blu­men­topf gewin­nen – diese wer­den schnell zu Stan­dort­nachteilen, wenn andere Märk­te prag­ma­tis­ch­er agieren.

Zwis­chen poli­tis­chem Wun­schdenken und wirtschaftlich­er Logik

Die Diskrepanz zwis­chen den opti­mistis­chen Szenar­ien der Studie und der aktuellen Entwick­lung offen­bart ein grund­sät­zlich­es Prob­lem deutsch­er Tech­nolo­giepoli­tik: den Hang zum Wun­schdenken. Ähn­liche Muster zeigten sich bere­its bei der Energiewende, der Dig­i­tal­isierung und der Elek­tro­mo­bil­ität – große Ver­sprechen, ambi­tion­ierte Ziele, aber oft unzure­ichende Umset­zung.

KI-Poli­tik braucht weniger visionäre Szenar­ien und mehr prag­ma­tis­che Strate­gien. Dazu gehört die ehrliche Anerken­nung der eige­nen Gren­zen eben­so wie die sys­tem­a­tis­che Förderung real­is­tis­ch­er Stärken­felder. Deutsch­land wird ver­mut­lich kein zweites Sil­i­con Val­ley, kann aber dur­chaus ein kom­pe­ten­ter und erfol­gre­ich­er Part­ner in der glob­alen KI-Wertschöp­fungs­kette wer­den.

Die Zukun­ft der Arbeit wird sich unab­hängig von deutschen Ambi­tio­nen verän­dern. Die Frage ist nicht, ob Deutsch­land eigene Foun­da­tion Mod­els entwick­elt, son­dern ob es den Mut zur scho­nungslosen Bestand­sauf­nahme auf­bringt. Solange Poli­tik und Wirtschaft an über­holten Stärke-Mythen fes­thal­ten, wird Deutsch­land wed­er tech­nol­o­gis­ch­er Vor­re­it­er noch kom­pe­ten­ter Anwen­der – son­dern schlicht abge­hängt. Die KI-Rev­o­lu­tion wartet nicht auf deutsche Gründlichkeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert