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Im Gespräch mit KI-Agenten erläutert der Bildungswissenschaftler Achim Gilfert (Foto), wie die KI sinnvoll in den beruflichen Alltag der Menschen integriert werden kann, warum einige Befürchtungen übertrieben sind und wo die Grenzen der KI — zumindest nach heutigem Stand — liegen.
- Achim, womit beschäftigst du dich in deinem beruflichen Alltag und welche Rolle spielt die KI dabei?
In meinem beruflichen Alltag nimmt KI unterschiedliche Stellenwerte ein.
Zuallererst beschäftige ich mich mit Fragen, wie Bildung und vor allem die berufliche Bildung auf die Existenz von KI-Systemen reagieren kann. Die üblichen Lehr- und Lernmethoden sind auf einen Wissenserwerb angelegt, der durch Prüfungen nachgewiesen werden soll. Darauf basiert ganz besonders die duale Berufsausbildung und auf diesem Wege wird erstmal keine Kompetenz nachgewiesen. Es gibt für jede Aufgabe bereits eine Lösung – die Prüfung schaut nach, wie weit der Prüfling der Lösung kommt und auf welchem Weg. Eine KI wird aufgrund der Datenexistenz jede Antwort auf jede Frage beantworten können und auch den Weg der Beantwortung der Lösung darstellen. Man kann ein Bild einer Aufgabe machen und bekommt in Sekunden den gesamten Lösungsweg mit Ergebnis. Würde man KI-Prüfungen in unserem Bildungssystem, so wie es ist, zulassen, hat jeder eine 1 und die Validität und die Sinnhaftigkeit würde ad absurdum geführt. Ich entwickle didaktische Modelle, die praktisch die Nutzung von KI erfordern, um zu Lösungen zu kommen, ohne Prüfungen zu absolvieren.
Der gleich folgende Stellenwert ist KI und ihre Auswirkungen auf die Psyche des Menschen. Hier gibt es Effekte, die sich in einer hohen Irrationalität von Ängsten bei Menschen ausdrücken können und diese daher eine Vermeidungsstrategie der Nutzung von KI (eben auch im Betrieb) zur Folge haben. Dabei ist es egal ob es sich um Führungskräfte oder andere Mitarbeiter handelt.
Zuletzt findet KI in meinem beruflichen Alltag im Bereich der Technologie in unserem Kompetenznetzwerk für Oberflächentechnik e.V. Eingang. Hier betreue ich eine für uns entwickelte KI, die uns bei technologischen Fragestellungen unterstützt.
- Was hat dich und Daniel Schlaack dazu bewogen, das Buch Ängste durch Künstliche Intelligenz. Eine Einordnung von Chancen und Risiken zu schreiben?
Der zweite Punkt, die Irrationalität von Ängsten durch KI, hat uns zu dem Buch bewogen. Es entstand in einem therapeutischen Kontext und soll aufzeigen, dass Menschen viel mehr können als die KI. Wir versuchen damit, den Menschen als „Technikopfer“ freizusprechen, indem wir die Funktionsweise und die Grenzen von KI aufzeigen. Das Ganze basiert auf physikalischen Zusammenhängen von Kommunikation.
- Welche spezifischen Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Qualität der Daten, die zum Training von KI-Systemen verwendet werden, zu verbessern?
Im Kern wäre die richtige Maßnahme auf eine gleichmäßige Repräsentanz der Daten und Urheber zu achten. Das ist allerdings ein substanzielles Problem, da die vorhandenen Daten bereits unglaublich unterschiedlich repräsentieren. Man müsste also die größten Unterschiede identifizieren und dann kompensieren – was man aber mangels Vorhandenseins der Daten nicht kann. Eine Verbesserung dürfte daher auf jeden Fall in einer bewussten Datenauswahl (besonders bei lokalen Modellen) liegen.
- Wie können wir sicherstellen, dass KI-Systeme nicht nur auf vorhersehbare Muster reagieren, sondern auch in der Lage sind, kreative und empathische Entscheidungen zu treffen?
KI-Systeme können keine kreativen und empathischen Entscheidungen treffen. Was wir zurzeit sehen, ist die Illusion von Empathie und Kreativität. Es ist die Folge mathematischer Berechnungen ohne die Einflechtung von Intuition und Bewusstsein. Auch dieses wird man irgendwann mal imitieren können – wobei das Imitieren ebenfalls eine Illusion darstellen wird.
- Welche Rolle spielt der Mensch in der Nutzung von KI, insbesondere in sensiblen Bereichen wie der Medizin, um Fehlentscheidungen zu vermeiden?
Der Mensch ist gleichermaßen Opfer und Nutznießer. Die Technik kann hervorragende Ergebnisse liefern, deren Bedeutung der einzelne Mensch wiederum kaum einschätzen kann. Gerade in der Medizin muss es ein Recht auf Nicht-Wissen geben. Gibt es das nicht, haben wir uns selbst zu Opfern der Ökonomie und Wirtschaft gemacht. Das sind leider Strömungen, die man heute erkennen kann. Die Rolle des Menschen, um die Frage zu beantworten, wäre in meinen Augen die Entscheidungen und die Kontrolle der Ergebnisse, die auf den biologischen – aber auch den zwanghaft emotionalen Menschen ausgerichtet sind. Wie gesagt – so sieht es im Moment nicht aus.
- Inwiefern können die Gefahren von einseitigen Informationen, die durch Algorithmen verstärkt werden, minimiert werden, um eine ausgewogene Informationsaufnahme zu gewährleisten?
Durch den Umstand, dass die KI´s Illusionen von Wirklichkeiten erzeugen und Art und Weise, wie sich Menschen in die Informationen einordnen (User erzeugen ihre Bubble selbst – das macht nicht der Algorithmus. Der ist eigentlich offen und liefert neues). Insofern ist das hier keine technische Gefahr und das Minimieren dieser Gefahren kann nur durch ein Bewusstsein bei den Menschen reduziert werden, offen anderes und andere zu akzeptieren und zu respektieren. Dann sorgt der Mensch selbst für eine ausgewogenere Informationsaufnahme und dabei wird „Sinn und Verstand“ eingesetzt. Das ist der Vorteil bei Menschen, diesen üblicherweise zu besitzen.
- Gibt es Beispiele für erfolgreiche Implementierungen von KI, die über die Automatisierung einfacher Aufgaben hinausgehen und komplexe Probleme lösen?
Es gibt Implementierungen und Versuche in alle Richtungen. Ob die erfolgreich sind oder nicht ist eine Frage der Perspektive. Wir hatten das bei einer anderen Frage bereits. Es gibt erste psychotherapeutische Ansätze mit KI – ob das erfolgreich ist, sagt uns die Perspektive der Heilung. Ist das, damit ein Mensch wieder für unser ökonomisches System funktioniert, halte ich es für nicht erfolgreich. Ist es, weil der Mensch als Mensch Heilung erfährt und es ihm besser geht, halte ich das für erfolgreich. Ist es, weil der Mensch als Mensch Heilung erfährt und es ihm besser geht, halte ich das für erfolgreiche. Oder die Sache mit der Bilderkennung von Röntgenbildern. Ein Arzt wird es erfolgreich finden, wenn er mit höchster Wahrscheinlichkeit zu Ergebnissen und Diagnosen kommt – für den Patienten kann das aus seiner Perspektive ein Drama sein und seine psychische Lebensqualität massiv verschlechtern. Das wäre dann nicht mehr erfolgreich in meinen Augen.Wir hatten das bei einer anderen Frage bereits. Es gibt erste psychotherapeutische Ansätze mit KI – ob das erfolgreich ist, sagt uns die Perspektive der Heilung. Ist das, damit ein Mensch wieder für unser ökonomisches System funktioniert, halte ich es für nicht erfolgreich. Ist es, weil der Mensch als Mensch Heilung erfährt und es ihm besser geht, halte ich das für erfolgreich.
- Wie können wir das allgemeine Verständnis der Bevölkerung über KI und ihre Funktionsweise verbessern, um einen informierten Umgang zu fördern?
Um Verständnis zu fördern, ist das Verstehen zu ermöglichen. Um Verstehen zu ermöglichen, müssen die Sachverhalte erfasst werden können. Hier gibt mein Stufenmodell des Verstehens Hinweise:
Stufenmodell bedeutet, das keine Stufe übersprungen werden kann. Fehlt eines der Elemente der entsprechenden Farbe, kann das Folgende nicht entstehen. In sofern benötigen wir leicht erfassbare Informationen auf universeller Ebene, einen Kontext, in dem das eingebettet ist (z.B. etwas im Alltag), wir brauchen etwas Zeit zur Verarbeitung und erst dann kann sich ein Gefühl einstellen. Das ist wichtig, weil die Nutzung von KI über ein technisches Interesse einerseits und über ein Gefühl beim Erleben und Benutzen andererseits. Ist beides nicht gegeben, kann es zu Ängsten und hohen Irrationalitäten kommen. Hier kommen dann wieder Erläuterungen zum Tragen, die die Irrationalität der Ängste abbauen, um die wünschenswerte und adäquate Skepsis der Sache gegenüber aufrecht zu erhalten. Denn die ist genauso wichtig für einen informierten Umgang.
- Achim, besten Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Ralf Keuper