In seinem im Jahr 1979 erschienenen Buch Mutation der Menschheit. Zukunft und Lebenssinn diskutierte der französische Germanist und Kybernetiker Pierre Bertaux die zunehmende Bedeutung kollektiver Intelligenz und die Rolle von Maschinen in der modernen Wissenschaft und Technik. Hier sind die zentralen Punkte und Interpretationen:
Kollektive Intelligenz und Fortschritt
- Der Fortschritt in Wissenschaft und Technik wird zunehmend als Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen einer anonymen Gemeinschaft gesehen. Nicht nur Forscher, sondern auch Beamte, Politiker und Geschäftsleute tragen dazu bei, indem sie Ressourcen bereitstellen und Prioritäten setzen.
- Die “Forschungsromantik”, also die Vorstellung von genialen Einzelpersonen, die bahnbrechende Entdeckungen machen, wird als überholt betrachtet. Stattdessen wird die kollektive Intelligenz als Schlüssel zur Lösung komplexer Probleme der Zukunft gesehen, wie z.B. die Verteilung von Ressourcen oder die Optimierung von Verkehrssystemen.
Rolle der Maschinen und künstlichen Intelligenz:
- Maschinen, insbesondere Rechenanlagen, übernehmen zunehmend geistige Arbeit. Die Frage, ob Maschinen denken können, wird als irrelevant angesehen, da sie als Werkzeuge betrachtet werden, die menschliche Aufträge ausführen.
- Die Symbiose zwischen Mensch und Maschine wird betont: Maschinen sind Teil eines größeren Systems, das Mechanik, Methodik und menschliche Gruppen integriert. Diese Symbiose führt zu einer neuen Form des “Organismus”, der sowohl technologische als auch soziale Elemente umfasst.
Entwicklung der Maschinen — “Genetik der Maschinen”
- Die Entwicklung von Maschinen zielt darauf ab, immer komplexere Aufgaben mit weniger qualifizierten Arbeitskräften zu bewältigen. Dies gilt auch für intellektuelle Operationen, die zunehmend von Maschinen übernommen werden.
- Maschinen werden nicht nur als Werkzeuge betrachtet, sondern als eigenständige Entitäten, die sich selbst reproduzieren und weiterentwickeln können. Dies führt zu einer “Genetik der Maschinen”, die Mutationen und Anpassungen ermöglicht.
Zukunft des Denkens
- Die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, neue Kombinationen zu schaffen, ist begrenzt, während Maschinen schnell und effizient alle möglichen Kombinationen durchlaufen und die besten Lösungen identifizieren können.
- Die Maschine wird als “Intelligenzverstärker” betrachtet, der dem menschlichen Denken neue Bereiche eröffnet. Das menschliche Gehirn könnte sich an neue, von Maschinen entwickelte Denkmodelle gewöhnen, ähnlich wie es sich an die perspektivische Darstellung gewöhnt hat.
Philosophische Implikationen
- Der Text hinterfragt die Natur des Denkens und stellt fest, dass auch menschliches Denken im Wesentlichen eine Manipulation von Wörtern und Begriffen ist. Wenn Maschinen in der Lage sind, Wörter zu manipulieren (z.B. durch Übersetzung), warum sollten sie nicht auch andere Formen des Denkens beherrschen können?
- Die Zukunft könnte Maschinen hervorbringen, die nach anderen logischen Gesetzen operieren als die uns vertrauten, was neue Wege des Denkens und Problemlösens eröffnet.
Zusammenfassung:
Bertaux argumentiert, dass der Fortschritt in Wissenschaft und Technik zunehmend auf kollektiver Intelligenz und der Symbiose zwischen Mensch und Maschine beruht. Maschinen werden nicht nur als Werkzeuge, sondern als eigenständige Entitäten betrachtet, die das menschliche Denken erweitern und neue Formen der Intelligenz schaffen können. Die Zukunft wird durch eine enge Verflechtung von menschlicher und maschineller Intelligenz geprägt sein, die gemeinsam komplexe Probleme lösen kann.