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Die DHBW Villingen-Schwenningen hat ein neues Profilfach “Digitalisierung im Steuer- und Prüfungswesen” eingeführt. Dahinter steht eine klare Botschaft: Künstliche Intelligenz wird die Branche fundamental verändern – aber nicht so, wie viele befürchten. Während KI-Systeme bereits heute Jahresabschlüsse und Steuererklärungen effizienter bearbeiten, entsteht eine neue Realität für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Die Frage ist nicht mehr, ob die Technologie kommt, sondern wer sie meistert1Ersetzt die KI irgendwann die Steuerberater*innen? Das sagen die Experten der DHBW Villingen-Schwenningen.
Der optimistische Blick der Hochschule
Die DHBW Villingen-Schwenningen positioniert sich bewusst als Innovationsmotor einer traditionsreichen Branche. Ihre Botschaft ist klar und strategisch: KI ersetzt den Menschen nicht, sondern wird zum unverzichtbaren Assistenten. Ab Juli 2025 sollen Studierende lernen, wie Algorithmen bei Recherchen, Textzusammenfassungen und standardisierten Aufgaben unterstützen können. Gleichzeitig wird kritisches, fachlich fundiertes Hinterfragen als unverzichtbare Kompetenz vermittelt – gerade im dynamischen Feld des Steuerrechts.
Besonders bemerkenswert ist die Betonung sozialer Kompetenzen. Empathie, Beziehungsaufbau und Kommunikation gelten als Schlüsselqualifikationen, insbesondere bei sensiblen Themen wie Unternehmensnachfolge oder Transaktionsberatung. Die Hochschule zeichnet damit das Bild einer neuen Generation von Steuerexperten: technisch versiert, aber menschlich geblieben.
Die unbequeme Wahrheit hinter den Kulissen
Doch dieser optimistische Ansatz verschleiert eine unbequeme Realität. Viele Steuerberater und Wirtschaftsprüfer profitieren derzeit davon, dass das deutsche Steuerrecht komplex und oft unübersichtlich ist. Die Undurchschaubarkeit schafft Beratungsbedarf – auch dort, wo die eigentliche “Beratung” eher pragmatische Routine als geniale Analyse ist.
Gerade diese Routineaufgaben, für die bislang “jahrelange Erfahrung” nötig schien, werden jedoch schneller automatisiert als erwartet. KI-gestützte Recherchetools machen undurchsichtige Gesetzeslagen zunehmend transparenter. Was passiert mit einer Branche, die teilweise vom Chaos im Steuerrecht lebt, wenn Algorithmen dieses Chaos systematisch reduzieren?
Der Wandel ist bereits in vollem Gange
Die Entwicklung zeigt sich in drei Phasen: Kurzfristig steigert KI die Effizienz in standardisierbaren Prozessen wie Jahresabschlüssen und einfachen Steuererklärungen. Mittelfristig wird die beratende Rolle wichtiger, weil KI viele Grundlagenarbeiten übernimmt. Langfristig haben jene Berater einen Wettbewerbsvorteil, die technische Möglichkeiten optimal nutzen und gleichzeitig menschliche Beziehungen pflegen können2KI-Assistenten und KI-Agenten in der Steuerberatung.
Die DHBW erkennt diese Entwicklung und reagiert proaktiv. Während viele Bildungsinstitutionen KI noch theoretisch behandeln, wird hier gezielt praxisnah auf konkrete Berufsfelder eingegangen. Besonders die Einbindung von Dokumentationspflichten beim KI-Einsatz ist ein wichtiger Schritt in Richtung Transparenz und Compliance – ein Vorgriff auf künftige gesetzliche Rahmenbedingungen.
Zwischen Innovation und Realitätsverweigerung
Der Ansatz der DHBW ist strategisch klug, aber auch ein Balanceakt. Die Hochschule muss Innovation fördern, ohne die Schwächen der Branche zu ignorieren. Ihr optimistischer Blick ist teils Motivation, teils Mahnung: Wer den Wandel verschläft, gerät ins Hintertreffen.
Fachwissen allein reicht nicht mehr. Gefragt ist die Kombination aus Technikkompetenz und Soft Skills. KI wird zum Werkzeug, und wer es beherrscht, hat einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, dass die technische Entwicklung gerade den “normalen” Berufsträger unter Druck setzt.
Die neue Realität
Die stille Revolution hat längst begonnen. Während sich manche Steuerberater noch fragen, ob KI relevant wird, arbeiten andere bereits mit intelligenten Systemen. Die DHBW bereitet eine Generation vor, die diese Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine natürlich beherrscht.
Der Innovationsdruck ist enorm, denn die Branche steht vor einem Paradox: Sie lebt von der Komplexität des Steuerrechts, aber KI macht diese Komplexität zunehmend beherrschbar. Die Zukunft gehört jenen, die Technologie als Chance begreifen – nicht als Bedrohung.