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Was wäre, wenn die wichtigste Fähigkeit der Zukunft nicht darin läge, mehr Informationen zu sammeln, sondern geschickter zu vergessen? In einer Welt, die jeden Tag unvorstellbare Datenmengen produziert, könnte die Exformation – die Kunst des bewussten Weglassens — der Weg sein, um in der Informationsflut nicht unterzugehen. Ein Konzept, das unsere Beziehung zu Wissen, Technologie und Kommunikation für immer verändern könnte.
In einer Zeit, die täglich 2,5 Quintillionen Bytes an Daten hervorbringt, mag es paradox erscheinen, dass nicht das Sammeln, sondern das bewusste Weglassen von Informationen zur Schlüsselkompetenz unserer Epoche wird. Der dänische Wissenschaftsjournalist Tor Nørretranders hat für dieses Phänomen einen Begriff geprägt, der unsere Beziehung zur digitalen Informationsflut grundlegend neu definiert:
Exformation.
Die Quelle von Schönheit,Wahrheit und Weisheit ist die Information, die man losgeworden ist. Die Exformation. Sie hat Wert und Bedeutung, da für ihre Schaffung Entropie in der Umgebung erzeugt werden mußte. In jeder Sekunde entledigt sich das Bewußtsein des Menschen Millionen von Bits, um jenen besonderen Zustand zu erreichen, den wir Bewußtsein nennen. Bewußtsein hat daher mehr mit Exformation als mit Information zu tun. (Tor Norretranders. Die Wissenschaft vom Bewusstsein)
Das unsichtbare Fundament des Verstehens
Exformation beschreibt jenen subtilen, oft unbewussten Prozess, bei dem wir irrelevante Daten aussortieren, um Kernaussagen zu schärfen und Bedeutung zu schaffen. Es ist die geistige Arbeit, die hinter jeder gelungenen Kommunikation steht – ein kreativer Akt der Reduktion, der aus rohen Datenmengen bedeutungsvolle Erkenntnisse destilliert. Wie ein Bildhauer das Überflüssige wegschnitzt, um die verborgene Skulptur freizulegen, verwandelt Exformation bloße Zahlen und Fakten in Weisheit.
Exformation steht winkelrecht zur Information. Exformation ist das, was ausgesondert wird, ehe der Ausdruck erfolgt. Exformation betrifft die geistige Arbeit, die wir leisten, um das, was wir sagen wollen, aussprechbar zu machen. Exformation ist die ausgesonderte Information, das, was wir nicht ausdrücken, aber im Kopf haben, wenn oder bevor wir etwas sagen. Information dagegen ist das Meß- und Konstatierbare, das tatsächlich Gesagte, die Bits oder Buchstaben des faktisch Ausgedrückten. Deshalb gibt es keinen Zusammenhang, der besagt: Je mehr Information desto mehr Exformation. …(ebd.)
Diese Kunst der Kontextualisierung geht weit über mechanisches Filtern hinaus. Sie webt Vorerfahrungen, kulturelle Codes und implizites Wissen in unsere Botschaften ein und ermöglicht es uns, aus dem Chaos der Wahrnehmung kohärente Weltbilder zu konstruieren. Unser Bewusstsein praktiziert diese Kunst bereits meisterhaft – es löscht pro Sekunde etwa elf Millionen Sinneseindrücke, um uns handlungsfähig zu …