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Von Ralf Keu­per 

In dem Buch Die Analo­gie. Das Herz des Denkens leg­en die Autoren Dou­glas Hof­s­tadter und Emmanuel Sander dar, wie sehr unser Denken von Analo­gien geprägt ist. Neben­bei unternehmen sie eine Art „Ehren­ret­tung“ der Analo­gie, da sie in der Ver­gan­gen­heit (und auch in der Gegen­wart) nicht sel­ten als Spiel­erei oder unwis­senschaftlich­er Taschen­spiel­er­trick abge­tan wurde. Allen­falls großen Genies, wie Albert Ein­stein, bil­ligt man zu, bei der For­mulierung völ­lig neuar­tiger The­o­rien inten­siv­eren Gebrauch von Analo­gien zu machen.

Dabei sind Analo­gien ständi­ge Begleit­er unser­er Denkvorgänge und ihr Ein­satz daher nicht nur auf sel­tene Aus­nah­men, Sit­u­a­tio­nen beschränkt:

Eine zen­trale These dieses Buch­es lautet, dass die Erstel­lung von Analo­gien jeden Moment des Denkens definiert, ja recht eigentlich die treibende Kraft hin­ter jeglichem Denken ist. Jede men­tale Kat­e­gorie, die uns zur Ver­fü­gung ste­ht, ist das Ergeb­nis ein­er lan­gen Rei­he von Analo­gien, die zwis­chen Ein­heit­en (seien das nun Objek­te, Aktio­nen oder Sit­u­a­tio­nen) Brück­en baut, welche sowohl räum­lich als auch zeitlich weit voneinan­der ent­fer­nt sind. .. Die Erstel­lung von Analo­gien erlaubt uns, in Sit­u­a­tio­nen zu denken und zu han­deln, die uns völ­lig neu sind; sie ver­sorgt uns mit ergiebi­gen Bestän­den neuer Kat­e­gorien; sie bere­ichert diese Analo­gien, indem sie sie im Lauf unseres Lebens ständig aus­dehnt; sie leit­et unser Ver­ständ­nis zukün­ftiger Sit­u­a­tio­nen, indem sie auf den entsprechen­den Abstrak­tion­sebe­nen reg­istri­ert, was uns ger­ade zugestoßen ist; und sie ver­set­zt uns in die Lage, über­raschende, kraftvolle men­tale Sprünge zu wagen.

Die Analo­gie als Herz des Denkens:

Die pausen­lose Aktiv­ität, frisch geprägte men­tale Struk­turen (neue Wahrnehmungen) und ältere men­tale Struk­turen (alte Begriffe) miteinan­der abzu­gle­ichen – die Aktiv­ität, die in neuen Sit­u­a­tio­nen die hoch rel­e­van­ten Begriffe präzise iden­ti­fiziert -, bleibt das anal­o­gis­che Gewebe des Denkens, und das unaufhör­liche Analo­gie-Gestöber, das wir ein­brin­gen, ist ein Spiel­gel unser­er Intel­li­genz. .. Die Kun­st dieses super­schnellen, ziel­sicheren Abrufs von Analo­gie ist in der Tat alles andere als eine Aktiv­ität, die mit Denken nichts zu tun hat – sie ist das Herz des Denkens.

Die Bil­dung neuer, die Anwen­dung bere­its beste­hen­der Kat­e­gorien macht es über­haupt erst möglich, dass wir uns in neuen Sit­u­a­tio­nen rel­a­tiv schnell zurechtfind­en. Müssten wir sie erst neu bilden, wären wir über­fordert. Analo­gien helfen uns dabei, die richti­gen Kat­e­gorien zu find­en.

Der, wenn man so will, „Göt­tliche Funke“ kann seine Wirkung dann ent­fal­ten, wenn es gelingt, bekan­nten Sit­u­a­tio­nen, Prob­le­men mit­tels Analo­gien eine neue Bedeu­tung, eine andere Per­spek­tive zu geben. Diese Fähigkeit haben jedoch nur wenige.

… denn die große Begabung dieser außeror­dentlichen Indi­viduen bestand darin, dass sie präzise das her­aus­greifen kon­nten, was in ein­er Sit­u­a­tion wirk­lich von Bedeu­tung war und was kein­er vor ihnen durch­schaut hat­te. Und das geschah durch die Erstel­lung orig­ineller, wichtiger Analo­gien, die aus dem jew­eili­gen Kat­e­gorien­reper­toire aufge­baut wur­den, das ihnen ger­ade zur Ver­fü­gung stand. Diese Fähigkeit ist prinzip­iell, gle­ichgültig in welch­er Epoche sie auftritt, eine äußerst sel­tene Begabung.

Einige Aus­sagen in dem Buch erin­nern an die Arbeit­en von Gerd Gigeren­z­er und seinen Mitar­beit­ern, z.B. an die Sim­ple Heuris­tics und die Recog­ni­tion Heuris­tics. Während es bei Gigeren­z­er vor­wiegend darum geht, wie man in möglichst kurz­er Zeit gute Entschei­dun­gen trifft, leg­en Hof­s­tadter und Sander den Schw­er­punkt auf den kreativ­en Aspekt, auf die Sprünge zwis­chen den Kat­e­gorien, um daraus zu neuen Ein­sicht­en zu gelan­gen.

Die Ver­wen­dung von Kat­e­gorien und Analo­gien (Kat­e­gorisierung durch Analo­giebil­dung) ist es auch, was dem Men­schen den entschei­den­den Vorteil über den Com­put­er ver­schafft: Neue Sit­u­a­tio­nen mit geringem kog­ni­tiv­en Aufwand zu bewälti­gen.

 

Wenn es also zwei Krea­turen gäbe, von denen die eine (ein erwach­sen­er Men­sch) die Welt mit Hil­fe der Kat­e­gorisierung durch Analo­giebil­dung wahrn­immt, während der andere (ein Com­put­er) nicht über einen solch hil­fre­ichen Mech­a­nis­mus ver­fügt, dann gliche ihr Wet­tbe­werb im Weltver­ste­hen einem Wet­t­lauf zwis­chen ein­er Per­son und einem Robot­er, die bei­de auf ein hohes Dach klet­tern müssen, wobei das Men­schen­we­sen eine bere­its beste­hende Treppe benutzen darf, wohinge­gen der Robot­er sich seine Treppe von Grund auf selb­st bauen muss.

Hier wirkt die Argu­men­ta­tion von Hubert L. Drey­fus in Was Com­put­er nicht kön­nen. Die Gren­zen kün­stlich­er Intel­li­genz und von Noam Chom­sky in Where Arti­fi­cial Intel­li­gence Went Wrong auf mich jedoch plau­si­bler.

In dem Kapi­tel Analo­gien, die die Welt erschüt­terten gehen die Autoren inten­siv auf den, wörtlich, Denkstil Albert Ein­steins ein. Ein­stein machte regen Gebrauch von Analo­gien – ohne sie, so Hof­s­tadter und Sander – u.a. unter Beru­fung auf den Ein­stein-Biografen Banesh Hoff­mann – hätte er seine All­ge­meine und Spezielle Rel­a­tiv­ität­s­the­o­rie niemals for­mulieren kön­nen. Daneben war es aber auch sein „Hypo­thetis­ch­er Deduk­tion­is­mus“, der Ein­stein nach eigen­er Aus­sage zu seinen Ein­fällen führte. Auch die Schöp­fung neuer Begriffe, Kat­e­gorien war für ihn ein wichtiges Instru­ment sein­er wis­senschaftlichen Arbeit. Mehr dazu: Albert Ein­steins Erken­nt­nis­the­o­rie.

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