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Bis 2033 will Ama­zon 600.000 Arbeit­splätze durch Robot­er erset­zen – und zwingt damit Logis­tikgi­gan­ten wie DHL und Arva­to zu einem Wet­t­lauf gegen die Zeit. Was nach ein­er inter­nen Effizienz­maß­nahme klingt, kön­nte zur größten Arbeits­mark­tver­schiebung seit der indus­triellen Rev­o­lu­tion wer­den.


In den Lager­hallen von mor­gen wird es still sein. Keine Rufe zwis­chen den Regalen, kein Qui­etschen von Hub­wa­gen, kein Rascheln von Ver­pack­ungs­ma­te­r­i­al in men­schlichen Hän­den. Stattdessen: das leise Sur­ren autonomer Sys­teme, das rhyth­mis­che Klick­en von Greifro­bot­ern, die Präzi­sion algo­rith­menges­teuert­er Logis­tik. Was wie Sci­ence-Fic­tion klingt, ist für Ama­zon bere­its kalkulierte Gegen­wart.

Durch­gesick­erte interne Doku­mente offen­baren eine Dimen­sion von Automa­tisierung, die selb­st für den tech­nikaffinen Konz­ern aus Seat­tle beispiel­los ist: Bis 2033 sollen rund 600.000 Arbeit­splätze in den USA durch Robot­er und KI-Sys­teme erset­zt wer­den1Amazon.com hofft offen­bar, 600.000 US-Mitar­beit­er durch Robot­er zu erset­zen. Drei Vier­tel aller oper­a­tiv­en Abläufe – Lager­hal­tung, Ver­sand, Logis­tik – wer­den dann ohne men­schlich­es Zutun ablaufen. Bere­its bis 2027 kön­nten 160.000 Stellen weg­fall­en. Die prog­nos­tizierten Einsparun­gen: 12,6 Mil­liar­den Dol­lar. Pro aus­geliefer­tem Paket spart Ama­zon damit etwa 30 Cent – ein Betrag, der im Mil­liar­dengeschäft den Unter­schied zwis­chen Mark­t­dom­i­nanz und Bedeu­tungslosigkeit aus­machen kann.

Wenn der Job­mo­tor zum Job­ver­nichter wird

Die Zahlen sind ernüchternd: Auf 1,6 Mil­lio­nen men­schliche Beschäftigte kom­men bei Ama­zon bere­its heute etwa eine Mil­lion Robot­er. Was das Unternehmen euphemistisch als „fort­geschrit­tene Tech­nolo­gie” oder „Cobots” beze­ich­net – Sprachregelun­gen, die laut Bericht­en bewusst gewählt wur­den, um öffentliche Gegen­reak­tio­nen zu dämpfen – ist in Wahrheit die radikalste Umwälzung eines Wirtschaftssek­tors seit Jahrzehn­ten.

Der MIT-Ökonom Daron Ace­moglu bringt es auf den Punkt: Ama­zon dro­he „vom Job­mo­tor zum Job­ver­nichter” zu wer­den. Während der Konz­ern par­al­lel Umschu­lung­spro­gramme für 700.000 Beschäftigte ankündigt, bleibt der Net­to­ef­fekt abse­hbar neg­a­tiv. Die Trans­for­ma­tion ver­schiebt Tätigkeit­en von ger­ingqual­i­fizierten manuellen Jobs hin zu hochspezial­isierten Rollen in tech­nis­ch­er Überwachung, Wartung und Pro­gram­mierung – ein Über­gang, den nicht alle Betrof­fe­nen wer­den vol­lziehen kön­nen.

Die Ket­ten­reak­tion: DHL und Arva­to unter Zugzwang

Doch Ama­zons Entschei­dung bleibt nicht auf den Konz­ern beschränkt. Sie ent­fes­selt eine Dynamik, die die gesamte Logis­tik­branche erfasst. Wenn der glob­ale Mark­t­führer demon­stri­ert, dass voll­ständi­ge Automa­tisierung nicht nur tech­nisch möglich, son­dern wirtschaftlich über­legen ist, ger­at­en alle Wet­tbe­wer­ber unter Anpas­sungs­druck.

DHL, tech­nol­o­gisch bere­its fort­geschrit­ten, set­zt bis­lang auf inkre­mentelle Automa­tisierung statt radikale Per­son­al­sub­sti­tu­tion. Cobots und autonome Trans­port­sys­teme verbessern Prozesse, erset­zen sie aber nicht voll­ständig. Im Ver­gle­ich zu Ama­zons 75-Prozent-Automa­tisierung bis 2027 bedeutet das: DHL muss mas­siv nach­le­gen. Dig­i­tale Zwill­ingssys­teme für Lager, autonome Liefer­fahrzeuge, Drohnen­l­o­gis­tik in Bal­lungszen­tren – all das muss schneller kom­men, wollte man mit Ama­zons Kosten­vorteilen konkur­ri­eren. Die Alter­na­tive: Spezial­isierung auf Pre­mi­um-Seg­mente wie Phar­mal­o­gis­tik oder maßgeschnei­derte B2B-Lösun­gen, in denen men­schliche Exper­tise noch einen Mehrw­ert bietet.

Arva­to, als Ful­fill­ment-Dien­stleis­ter für E‑Commerce und Health­care posi­tion­iert, ste­ht vor ein­er exis­ten­ziellen Her­aus­forderung. Ama­zon ver­drängt zunehmend Drit­tan­bi­eter aus der Wertschöp­fungs­kette – ein vol­lau­toma­tisiertes Net­zw­erk schafft Kosten- und Zeitvorteile, gegen die Out­sourc­ing-Lösun­gen kaum beste­hen kön­nen. Arva­to reagiert bere­its mit High-Tech-Stan­dorten in Güter­sloh, Dorsten und Warschau, wo Sys­teme von Geek+, Knapp und Auto­Store inte­gri­ert wer­den. Doch auch hier bleibt die Erken­nt­nis: Weniger manuelle Pick­er, mehr Anla­gen­s­teuer­er und KI-Oper­a­toren wer­den die Belegschaft der Zukun­ft prä­gen.

Der große Umbruch: Arbeit im Jahr 2030

Stu­di­en prog­nos­tizieren, dass bis 2030 rund 40 Prozent der Logis­tikjobs in Europa tech­nisch sub­sti­tu­ier­bar sind. Das ist mehr als eine Ratio­nal­isierungswelle – es ist ein fun­da­men­taler Struk­tur­wan­del. Während ein­fache Tätigkeit­en ver­schwinden, entste­ht Nach­frage nach hochqual­i­fizierten Prozessin­ge­nieuren, Daten­plan­er und Robotik­spezial­istin. Eine Ver­lagerung von physis­ch­er zu dig­i­taler Arbeit, die Mil­lio­nen Men­schen betr­e­f­fen wird.

Die gesellschaft­spoli­tis­chen Imp­lika­tio­nen sind immens. Zwis­chen 2027 und 2033 dro­ht ein Wan­del, der nicht nur in den USA, son­dern mit­tel­bar auch in Europa Mil­lio­nen ger­ingqual­i­fizierte Arbeit­skräfte tre­f­fen kön­nte. Fra­gen nach tech­nol­o­gis­ch­er Arbeit­slosigkeit, Einkom­menssicherung und Sozial­re­for­men wer­den neu ver­han­delt wer­den müssen. Kap­i­tal- und daten­starke Konz­erne wie DHL oder Arva­to mögen bess­er posi­tion­iert sein als kleinere Wet­tbe­wer­ber – doch auch sie müssen mit steigen­den Investi­tion­skosten und zunehmen­dem sozialpoli­tis­chem Druck rech­nen.

Das Ende der Men­schen­hand?

Ama­zons geplante Automa­tisierung markiert einen Wen­depunkt. Sie ver­schiebt das Kräftev­er­hält­nis in der Logis­tik zugun­sten daten­zen­tri­ert­er Groß­plat­tfor­men und stellt die Frage, die wir als Gesellschaft beant­worten müssen: Führt diese Trans­for­ma­tion zu höher­er Pro­duk­tiv­ität mit sozialer Kom­pen­sa­tion – oder in eine Phase zunehmender Arbeits­mark­t­po­lar­isierung?

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