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Trotz massiver Investitionen in generative KI bleiben die erhofften Geschäftserfolge aus – ein Paradoxon, das 80 Prozent aller Unternehmen betrifft. Während KI-Tools überall zum Einsatz kommen, verpufft ihre Wirkung in der Breite. Die Lösung liegt , so McKinsey in Seizing the agentic AI advantage, nicht in mehr oder besserer KI, sondern in einem fundamentalen Paradigmenwechsel: KI-Agenten, die als autonome Geschäftspartner agieren und komplexe Workflows revolutionieren. Doch dieser Wandel erfordere mehr als nur neue Technologie – er verlange nach mutiger Führung und organisatorischer Transformation.
Das Gen-AI-Paradoxon: Vom Werkzeug zum Geschäftspartner
Während rund 80 Prozent der Unternehmen bereits generative Künstliche Intelligenz einsetzen, berichtet ein ebenso hoher Anteil von ausbleibendem signifikantem Einfluss auf die Geschäftsergebnisse. Dieses scheinbare Widerspruch, das sogenannte “Gen-AI-Paradoxon”, entsteht durch ein fundamentales Ungleichgewicht in der Anwendungsstrategie.
Unternehmen bewegen sich zwischen zwei Polen: Einerseits dominieren horizontale Anwendungsfälle, die zwar breit eingesetzt werden, aber diffus und oberflächlich wirken. Andererseits existieren vertikale, funktionsspezifische Lösungen, die durchaus Wirkung zeigen, jedoch kaum skaliert werden können. Diese Zerrissenheit verhindert den durchschlagenden Erfolg generativer KI im Unternehmenskontext.
Der Durchbruch durch KI-Agenten
Die Lösung liegt in einem Paradigmenwechsel hin zu KI-Agenten, die das Potenzial haben, dieses Paradoxon aufzubrechen. Anders als herkömmliche KI-Tools kombinieren Agenten Autonomie, strategische Planung, Gedächtnis und nahtlose Integration zu proaktiven, zielorientierten Geschäftspartnern. Sie automatisieren nicht nur einzelne Aufgaben, sondern orchestrieren komplexe vertikale Workflows und eröffnen dadurch neue Dimensionen der Wertschöpfung.
Diese Transformation verspricht erhebliche Vorteile: Von der Automatisierung komplexer Geschäftsprozesse über die Verbesserung der operativen Agilität bis hin zur Erschließung völlig neuer Umsatzquellen. Konkret zeigt sich dies in der intelligenten Supply-Chain-Optimierung, personalisierten Kundeninteraktionen und datenbasierten Entscheidungsprozessen, die in Echtzeit ablaufen.
Allerdings erfordern Agenten mehr als nur die Optimierung bestehender Prozesse – sie verlangen eine grundlegende Neugestaltung der Art, wie Unternehmen arbeiten.
Technologische Revolution und organisatorischer Wandel
Agentic AI Mesh
Der Übergang zur Agenten-Ära bedingt einen umfassenden technologischen Wandel. Im Zentrum steht die Einführung eines neuen Architekturansatzes, des “Agentic AI Mesh”, der es ermöglicht, Agenten sicher und skalierbar zu orchestrieren. Dieses Mesh muss vier zentrale Anforderungen erfüllen: Modularität für flexible Anpassungen, Vendor-Neutralität zur Vermeidung von Abhängigkeiten, dezentrale Intelligenz für autonome Entscheidungen und kontrollierte Autonomie für sichere Operationen.
Langfristig müssen IT-Systeme grundlegend agentenfreundlich gestaltet werden, indem sie maschinenlesbare Schnittstellen priorisieren und autonome Workflows von Grund auf unterstützen. Parallel dazu ist ein tiefgreifender organisatorischer Wandel erforderlich.
Unternehmen müssen klare Rollen für die Mensch-Agent-Kollaboration entwickeln und robuste Governance-Strukturen etablieren, die sowohl die Kontrolle der Autonomie gewährleisten als auch unkontrolliertes Wachstum von Agenten verhindern. Der Aufbau einer spezialisierten Infrastruktur und die Schulung entsprechender Teams sind dabei unverzichtbare Grundvoraussetzungen.
Führung in der Agenten-Ära
CEOs stehen vor der Herausforderung, ihre Prioritäten fundamental zu überdenken. Der Fokus muss sich von isolierten Experimenten hin zu strategischen Programmen und industrialisierten Lösungen verlagern. Dies erfordert die Förderung funktionsübergreifender Transformationsteams und den systematischen Aufbau einer skalierbaren Daten- und Technologie-Infrastruktur.
Besonders entscheidend ist der Wandel im Management selbst: CEOs müssen ihre Organisationen gezielt auf die Agenten-Ära vorbereiten, indem sie Vertrauen in neue Technologien aufbauen, kulturelle Barrieren systematisch abbauen und den Fokus konsequent auf transformative Wirkung legen.
Ausblick: Die Zukunft der Zusammenarbeit
Die Agenten-Ära eröffnet Unternehmen die einzigartige Chance, generative KI von einem passiven, reaktiven Werkzeug in einen aktiven, proaktiven Geschäftspartner zu transformieren. Dieser Wandel ist jedoch kein technisches Upgrade, sondern eine fundamentale Neuausrichtung, die sowohl technologische Innovationen als auch organisatorischen Wandel voraussetzt.
Bewertung
Die Empfehlungen sind für eine Strategieberatung, insbesondere für McKinsey, nachvollziehbar — High Level eben, was nicht negativ gemeint ist. Wir müssen uns immer wieder mal auf die höchstmögliche Abstraktionsebene begeben, um einen Blick für tieferliegende Probleme zu bekommen.
Wir müssen damit rechnen, daß wir, je tiefer ein Konflikt reicht, um so höher in die Abstraktion hinaufsteigen müssen, um einen klaren und unverstellten Blick auf seine Wurzeln zu bekommen (in: Politischer Liberalismus)
So weit, so gut. Jetzt aber KI-Agenten oder agentenbasierte KI gleich zum Geschäftspartner zu deklarieren, geht m.E. dann doch über das Ziel und die aktuellen Möglichkeiten hinaus. Bis auf Weiteres bleibt KI ein mächtiges Werkzeug — wenn, dann ist generative KI noch ein Kommunikationspartner1Generative KI: Werkzeug oder Kommunikationspartner?. Von besonderer Bedeutung bleiben die Business Rules als die einheitliche Grundlage der KI-Agenten oder der agentenbasierten Systeme2Business Rules für KI-Agenten wichtiger als Datenmodelle?.
Business Rules sind die tief verwurzelten Arbeitsabläufe, Logiken und Konfigurationen, die definieren, wie eine Anwendung für eine bestimmte Organisation funktioniert. Diese Regeln sind dynamisch und passen sich im Laufe der Zeit den spezifischen Prozessen und Bedürfnissen jedes Unternehmens an.
Jetzt könnte man argumentieren, dass KI-Agenten über ihre Verbindung zu den Business Rules in die Rolle des Geschäftspartners schlüpfen werden. Das müssten dann jedoch sehr spezifische KI-Agenten sein, die auf direkten Austausch mit Menschen angewiesen bleibt. Aber auch dann bleibt die Frage nach den sog. “heimlichen Spielregeln”, die in jedem Unternehmen in irgendeiner Form bestehen und für den reibungslosen Ablauf eine nicht unbedeutende Rolle spielen.