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Von Ralf Keuper
Der Dienstleistungssektor stellt in den meisten “entwickelten” Volkswirtschaften den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt. In der EU und anderen Industrieländern ist der Dienstleistungssektor für über 70% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verantwortlich1Die wirtschaftliche Bedeutung des Handels mit Dienstleistungen. Der Dienstleistungssektor entwickelte sich in Deutschland im Jahr 2024 insgesamt positiv mit einem Wachstum von 0,8%. Besonders stark wuchs der Bereich Information und Kommunikation mit 2,5%.2„Bruttoinlandsprodukt 2024 für Deutschland“
Bereits im Jahr 1987 beschrieben James Brian Quinn und Christopher E. Gagnon in dem Beitrag Die Dienstleistungen werden automatisiert — Die strategischen und volkswirtschaftlichen Konsequenzen der neuen Service-Technologien den Transformationsprozess, der klassische Industrieländer wie die USA in eine Dienstleistungsgesellschaft verwandelte, was sie auf mehrere Faktoren zurückführten:
Wirtschaftliche Bedeutung
Dienstleistungen sind nicht nur eine Ergänzung zur Industrie, sondern haben eine gleichwertige oder sogar höhere Wertschöpfung. Der Dienstleistungsbereich ist kapitalintensiv und hat sich als stabiler in Krisenzeiten erwiesen. Während die Industrie in Abschwungphasen oft Beschäftigungsverluste verzeichnet, steigt die Beschäftigung im Dienstleistungssektor sogar während wirtschaftlicher Rückgänge. Hinzu kommt, dass die Wahrnehmung von Dienstleistungen sich gewandelt hat. Konsumenten schätzen Serviceleistungen oft höher als industrielle Produkte, was die Notwendigkeit verdeutlicht, Dienstleistungen als eigenständigen und wertvollen Sektor zu betrachten.
Automatisierung und Technologie
Die Automatisierung hat den Dienstleistungssektor grundlegend verändert. Technologien steigern die Produktivität und ermöglichen eine effiziente Bereitstellung von Dienstleistungen, was Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschafft. Unternehmen in verschiedenen Dienstleistungsbranchen nutzen neue Technologien, um Größenvorteile zu realisieren. Dies führt zu einer Marktveränderung, in der große Unternehmen durch Fusionen und Übernahmen dominieren, während kleinere Firmen Nischen bedienen und spezialisierte Dienstleistungen anbieten.
Synergie-Effekte und Komplexität
Die neuen Technologien ermöglichen es, zusätzliche Dienstleistungen zu geringeren Kosten anzubieten. Dadurch können Unternehmen ihr Leistungsspektrum erweitern und differenziertere Angebote schaffen, was die Kundenbindung erhöht. Die Automatisierung hat die Fähigkeit verbessert, komplexe Aufgaben zu bewältigen. Beispielsweise können Rechtsanwälte heute umfangreiche Recherchen in kürzerer Zeit durchführen. Auch im Finanzsektor hat sich die Abwicklung von Geschäften durch elektronische Systeme drastisch verändert.
Veränderungen im Markt
Die Grenzen zwischen verschiedenen Dienstleistungsbranchen verschwimmen. Banken, Versicherungen und Broker bieten zunehmend ähnliche Produkte an, was die Wettbewerbslandschaft verändert. Außerdem wäschst die Bedeutung von Dienstleistungsexporten. Diese machen heute (1987) einen signifikanten Teil des Welthandels aus und wachsen schneller als der Handel mit Industrieprodukten. Technologische Fortschritte in Kommunikation und Transport fördern die Globalisierung des Dienstleistungsmarktes.
Damaliges Fazit
Die Autoren kamen seinerzeit zum dem Schluss, dass Dienstleistungen nicht nur unerlässlich für die wirtschaftliche Stabilität sind, sondern auch einen entscheidenden Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit haben. Richtig eingesetzt, können Dienstleistungen die Produktionskosten erheblich senken und den Lebensstandard der Arbeitnehmer erhöhen. Die Effizienz im Dienstleistungssektor wird somit zu einem Schlüsselfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg in einer zunehmend globalisierten Welt.
Heutige Situation
Der Befund von Brian und Gagnon hat an Aktualität nichts eingebüßt. Eher hat sich die Entwicklung, vor allem als Folge des sog. Plattformkapitalismus, noch verschärft. Dienstleistungen sind zu einem wichtigen Handelsgut geworden, die einen immensen Einfluss auf den Wohlstand einer Gesellschaft haben. Plattformen wie Amazon können sowohl Skalen- als auch Synergieeffekte realisieren.
James Brian Quinn schrieb dazu in seinem Buch Innovation Explosion:
Richtig installiert, ermöglichen dieselben Technologien, die neue Größenvorteile schaffen — oder die unterstützenden Technologien, die für die Implementierung der Großtechnologien erforderlich sind — Dienstleistungsunternehmen, ein viel breiteres Spektrum an Daten, Ausgabefunktionen oder Kunden zu verarbeiten, ohne dass die Kosten erheblich steigen. Bei richtigem Management sinken die Stückkosten in dem Maße, wie Vielfalt und Flexibilität zunehmen, und die größeren Unternehmen verteilen ihre Kosten für Technologieentwicklung oder Ausrüstung auf eine breitere Basis von Tätigkeiten.
Die nächste Stufe der Automatisierung im Dienstleistungssektor bzw. bei den wissensintensiven Tätigkeiten wird durch den großflächigen Einsatz von KI-Agenten repräsentiert. Die Büroautomatisierung wie überhaupt die Automatisierung vorwiegend repetitiver Tätigkeiten wird voranschreiten, bis sie die sog. dispositiven, kreativen Aufgaben erreicht. Beispielhaft dafür ist die Softwareentwicklung.
Eines der größten Probleme der deutschen Wirtschaft ist die seit Jahren stagnierende Arbeitsproduktivität3Produktivität der deutschen Wirtschaft stagniert. Als ein Grund wird dabei angeführt, dass der Übergang zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft die Produktivitätsentwicklung gebremst habe, da viele Dienstleistungstätigkeiten weniger Potenzial für Produktivitätswachstum bieten als das produzierende Gewerbe. Um hier für das nötige Produktivitätswachstum zu sorgen, ist der Einsatz agentenbasierter KI und Robotik — nicht in jedem Fall zwingend und nötig — jedoch auf das Ganze der Wirtschaft gesehen, unabdingbar, weshalb uns das Thema hier noch häufiger beschäftigen wird.