Von Ralf Keuper
Bislang wenden wir den Personenbegriff auf Menschen, Unternehmen und Institutionen an. Ihn auf Maschinen, Roboter oder technische Komponenten wie KI-Agenten, die in gewissem Umfang autonom entscheiden können, anzuwenden, erscheint uns noch exotisch. Elektronische oder technische Personen sind in unserem Rechtssystem noch nicht vorgesehen. Das könnte sich aber demnächst ändern.
Die Frage der Haftung
Die Diskussion um das Für und Wider der Ausdehnung des Personenbegriffs auf Maschinen kreist letztlich darum, wer im Schadensfall haftbar gemacht werden kann. Von den Gegnern wird vorgebracht, unsere Rechtsordnung sei von Menschen für Menschen geschaffen worden. Daran ändere auch die Einführung der juristischen Personen nichts, da auch hier letztendlich (natürliche) Personen haften. Für ein Kfz haftet der Fahrzeughalter, nicht das Fahrzeug oder eine seiner Komponenten1Ist ein Roboter haftbar?. Statt über die Einführung einer e‑Person sollte eher über die einer eGmbH nachgedacht werden, so einige Kommentare.
Wenn jedoch Maschinen, u.a. durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz, autonom handeln können, dann, so die Europäische Kommission2Robots: Legal Affairs Committee calls for EU-wide rules müsste man ihr auch den Status einer Rechtspersönlichkeit zukommen lassen3European Cival Law Rules in Robotics
In dem Entschließungsantrag wird vorgeschlagen, eine neue Kategorie von Personen zu schaffen, speziell für Roboter: elektronische Personen. In Ziffer 31(f) wird die Europäische Kommission aufgefordert, die rechtlichen Folgen der „Schaffung eines besonderen Rechtsstatus für Roboter zu untersuchen, so dass zumindest die fortschrittlichsten autonomen Roboter den Status elektronischer Personen mit spezifischen Rechten und Pflichten erhalten könnten, einschließlich der Verpflichtung, Schäden, die sie [Dritten] zufügen, zu ersetzen, und die elektronische Persönlichkeit auf Fälle anzuwenden, in denen Roboter intelligente autonome Entscheidungen treffen oder anderweitig mit Dritten interagieren.
Wenn Maschinen haftbar sind, dann müssen sie auch mit den nötigen finanziellen Mitteln oder Versicherungen ausgestattet werden, um im Schadensfall zur Zahlung verpflichtet werden zu können.
Haben Maschinen ein Bewusstsein?
Seit Jahrzehnten wird darüber debattiert, ob Maschinen ein Bewusstsein haben können. Häufig werden dabei die Robotergesetze von Isaac Asimov zitiert. In ihrer ursprünglichen Form lauten sie:
- Ein Roboter darf kein menschliches Wesen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit (wissentlich) zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.
- Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren.
- Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.
Carl Friedrich von Weizsäcker beispielsweise hielt es nicht für unmöglich, dass Maschinen oder Roboter eines Tages mit einem Bewusstsein ausgestattet sind4Haben Maschinen ein Bewusstsein? (Carl Friedrich von Weizsäcker). Ein Roboter hätte dann ein Existenzrecht im Sinne des 3. Gesetzes von Asimov.
Die Existenzweise technischer Objekte
Für den französischen Technikphilosophen Gilbert Simondon existieren Mensch und Maschine zusammen, wobei dem Menschen die Rolle des Dirigenten zufällt.
Der Mensch ist in den Maschinen durch das Fortbestehen der Erfindung präsent. Was den Maschinen innewohnt, ist menschliche Wirklichkeit, menschliche Geste, die in funktionierenden Strukturen fixiert und kristallisiert ist (in: Die Existenzweise technischer Objekte).
Agenten mit Charakter
In Agententechnologie. Eine Einführung benennen die Autoren unter den Eigenschaften von Agenten neben Autonomie und Reaktivität auch “Persönlichkeit und Emotionalität” auf. Das wiederum bedeute, dass Agenten Charakter haben. Gleiches ließe sich von Digitalen Zwillingen sagen.
Softwareagenten wären demnach Rechtssubjekte. Laut Gunther Teubner sind es “nicht die inneren Eigenschaften der Agenten, sondern die gesellschaftlichen Interaktionen, insbesondere wirtschaftlichen Transaktionen, an der die laufenden Operationen des Algorithmus teilnehmen”5Digitale Rechtssubjekte? Haftung für das Handeln autonomer Softwareagenten, die den Algorithmus als Person, als kommunikationsfähigen Akteur konstituieren.
Damit befindet er sich nicht weit von Simondon entfernt, der von einem Ensemble technischer Objekte sprach.
Einschätzung
In der vernetzten Wirtschaft, im Internet der Dinge bzw. im Industriellen Internet der Dinge wird die Klärung der Frage nach der Haftung und Existenzweise bzw. ‑berechtigung von Maschinen, Komponenten oder Agenten mit jedem Tag dringlicher. Womöglich muss der Blick von dem einzelnen Objekt auf das Ensemble und die aus der Interaktion der Objekte mit den Menschen entstehenden Sozialsysteme gerichtet werden.
So oder so, müssen die Maschinen, damit ihre Handlungen und deren Folgen rechtlich zuordnet werden können, über eine eigene, einmalige, persistente digitale Identität verfügen.
Zuerst erschienen auf Identity Economy