Getting your Trinity Audio player ready...

Sta­tista entlässt im Okto­ber 2025 rund 80 Mitar­beit­er – vor allem in den Con­tent- und Daten­man­age­ment-Teams1Exk­lu­siv: Sta­tista entlässt rund 80 Mitar­beit­er – diese Stellen sind betrof­fen. Begrün­det wird der Schritt mit der Ein­führung ein­er unternehmensin­ter­nen KI-Lösung, die viele redak­tionelle und ana­lytis­che Auf­gaben automa­tisiert. Doch hin­ter dieser Mel­dung ver­birgt sich mehr als ein tech­nis­ch­er Umbruch: Der Jour­nal­is­mus selb­st hat sich längst in eine Arbeits­form ver­wan­delt, die algo­rith­misch funk­tion­iert – und damit seine eigene Automa­tisierung vor­bere­it­et.


Der Stel­len­ab­bau bei Sta­tista im Okto­ber 2025 wirkt auf den ersten Blick wie eine weit­ere Episode in der lan­gen Rei­he tech­nol­o­gisch begrün­de­ter Restruk­turierun­gen der Tech-Branche. Rund 80 Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er ver­lieren ihren Job – vor allem im Bere­ich Con­tent-Erstel­lung, Datenpflege und Analyse. Der Hin­ter­grund: Eine interne KI-Lösung übern­immt kün­ftig weite Teile dieser Auf­gaben.

Doch dieser Schritt ist mehr als ein ratio­naler Effizien­za­kt. Er markiert einen Epochen­wech­sel: Die Automa­tisierung hat das Ter­rain der geisti­gen Arbeit betreten. Tätigkeit­en, die bis­lang als „intellek­tuell“ gal­ten – jour­nal­is­tis­che Recherche, redak­tionelle Auf­bere­itung, daten­basierte Analyse – wer­den nun zunehmend an Maschi­nen delegiert.

Was Sta­tista automa­tisiert – und warum

Laut CEO Marc Berg set­zt Sta­tista auf eine intern entwick­elte KI-Plat­tform, die „repet­i­tive und struk­turi­erte Tätigkeit­en“ automa­tisiert. Im Kern geht es um vier Anwen­dungs­felder:

  • Automa­tisierte Daten­er­he­bung und ‑pflege: Algo­rith­men durch­suchen Quellen, kat­e­gorisieren und aktu­al­isieren Daten­sätze, ohne men­schlich­es Zutun.
  • Gen­er­a­tive KI im Con­tent-Bere­ich: Kurz­texte, Zusam­men­fas­sun­gen und Datenkom­mentare entste­hen auf Basis von Abfra­gen und Roh­dat­en.
  • KI-Agen­ten und Assis­ten­ten: Virtuelle „Redak­teure“ agieren als selb­st­ständi­ge Date­n­an­a­lysten, prüfen Fehler und koor­dinieren Work­flows.
  • Maschinelles Ler­nen für Struk­tur und Qual­ität: Mod­elle aus NLP und Data Min­ing übernehmen Analyse und Qual­itätssicherung – schneller und fehlerärmer als men­schliche Teams.

Damit ver­schwinden klas­sis­che Auf­gaben wie Recherche, Dateneingabe, Redak­tion­s­pla­nung und Rou­tineko­r­rek­tur. Die Arbeit, die früher viele Men­schen beschäftigte, wird nun von Sys­te­men über­nom­men, die Tag und Nacht fehler­frei funk­tion­ieren.

Ein struk­turelles Prob­lem – nicht nur ein Einzelfall

Die Ent­las­sun­gen bei Sta­tista fügen sich in ein größeres Bild. Über 40 % der deutschen Unternehmen pla­nen 2025 laut Branchenum­fra­gen eben­falls Per­son­al­ab­bau, häu­fig mit Ver­weis auf „Dig­i­tal­isierung“ und KI-getriebene Prozes­sop­ti­mierung.

Auch andere Tech-Unternehmen – von Daten­plat­tfor­men über Medi­en­häuser bis hin zu Agen­turen – ent­lassen Mitar­beit­er, deren Kom­pe­ten­zen plöt­zlich als „redun­dant“ gel­ten. Die betrof­fe­nen Pro­file ähneln sich: Con­tent Man­ag­er, Daten­jour­nal­is­ten, Researcher, Über­set­zer, Redak­tion­sas­sis­ten­zen.

Was dabei sicht­bar wird, ist ein Muster: KI trifft zuerst die Berufe, deren Wertschöp­fung auf Struk­tur, Wieder­hol­ung und Regel­haftigkeit beruht. Sie erset­zt keine Kreativ­ität, aber sie erset­zt die Rou­tine, die Kreativ­ität bis­lang ermöglichte.

Die eigentliche Ironie: Men­schen, die wie Maschi­nen arbeit­en

Die Ent­las­sungswelle bei Sta­tista offen­bart eine para­doxe Wahrheit:

Viele der betrof­fe­nen Tätigkeit­en ver­schwinden nicht, weil KI plöt­zlich „bess­er“ wäre, son­dern weil Men­schen ihre Arbeit bere­its so gestal­tet haben, dass sie von Maschi­nen leicht erset­zt wer­den kann.

In vie­len Redak­tio­nen, Research-Abteilun­gen und Con­tent-Teams läuft Arbeit längst nach Mustern ab, die ein­er algo­rith­mis­chen Logik fol­gen: struk­turi­erte Recherche, stan­dar­d­isierte Textbausteine, for­mal­isierte Prozesse, automa­tisierte Tools zur SEO-Opti­mierung oder Datenpflege.

Die meis­ten Jour­nal­is­ten han­deln, bewusst oder unbe­wusst, wie KI-Agen­ten – sie fil­tern, ord­nen, for­mulieren, opti­mieren nach Regeln. Nur: Maschi­nen tun das nun schneller, bil­liger und skalier­bar­er.

Was ver­loren geht, ist nicht bloß ein Job, son­dern ein Teil des men­schlichen Anteils an der Wis­senspro­duk­tion – die Fähigkeit, Unsicher­heit auszuhal­ten, Bedeu­tun­gen zu schaf­fen, Ambivalen­zen zu denken.

In gewiss­er Weise fol­gt der Wan­del also ein­er inneren Logik:

Wenn Men­schen begin­nen, wie Maschi­nen zu denken, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Maschi­nen begin­nen, ihre Arbeit zu übernehmen.

Vom Schöpfer zum Kura­tor – der Ver­lust jour­nal­is­tis­ch­er Kreativ­ität

In vie­len Redak­tio­nen ist der kreative Impuls längst ein­er Ver­wal­tungslogik des Infor­ma­tions­flusses gewichen. Jour­nal­is­ten schreiben nicht mehr, um Wirk­lichkeit zu erforschen, son­dern um Botschaften zu trans­portieren – meist solche, die von Press­es­tellen, Agen­turen oder Unternehmen vor­for­muliert wur­den.

Was früher als unab­hängige Recherche galt, ist heute häu­fig ein Redigieren fremder Nar­ra­tive. Die KI übern­immt nun lediglich, was ohne­hin automa­tisier­bar gewor­den ist: das Recyceln von Inhal­ten, das Glät­ten von Sprache, das Anpassen an SEO-Muster.

Kri­tis­ches Denken – einst der Kern jour­nal­is­tis­ch­er Arbeit – wird dabei zur Störung im Sys­tem. Der kreative Men­sch passt in diesen Work­flow nicht mehr hinein. Und so erset­zt die Mas­chine let­ztlich nur das, was der Men­sch zuvor schon selb­st stan­dar­d­isiert hat.

Der neue Jour­nal­is­mus – Kon­trolle statt Kreation

Viele Jour­nal­istin­nen und Jour­nal­is­ten find­en sich in ein­er neuen Rolle wieder: nicht mehr als Autor, son­dern als Kon­trolleur von KI-Aus­gaben. Ihre Auf­gaben ver­schieben sich vom kreativ­en Denken hin zur Überwachung, Vali­dierung und Nach­bear­beitung maschinell erzeugter Inhalte.

Branchen­analy­sen zeigen, dass 2024 mehr Medi­en­schaf­fende als je zuvor ihren Beruf aufgegeben haben – häu­fig nach Spar­run­den, die mit dem Argu­ment der „KI-Effizienz“ begrün­det wur­den. Große Ver­lagshäuser, Daten­plat­tfor­men und Con­tent-Agen­turen ratio­nal­isieren, was einst das Herz ihrer Arbeit war.

Was auf dem Spiel ste­ht

Die Automa­tisierung der Wis­sensar­beit stellt eine dop­pelte Her­aus­forderung dar: ökonomisch und kul­turell.

Ökonomisch, weil Unternehmen wie Sta­tista durch KI ihre Mar­gen sta­bil­isieren – auf Kosten men­schlich­er Beschäf­ti­gung.

Kul­turell, weil die Gesellschaft eine neue Def­i­n­i­tion von Wis­sen, Autoren­schaft und Ver­ant­wor­tung benötigt, wenn Maschi­nen die Inhalte erzeu­gen, die unsere öffentliche Mei­n­ung prä­gen.

Sta­tista ist damit nicht nur ein Einzelfall. Es ist ein Sym­bol für eine stille Rev­o­lu­tion – eine, die nicht in Fab­riken, son­dern in Büros, Redak­tio­nen und Daten­banken stat­tfind­et.

Faz­it:

Die Ent­las­sun­gen bei Sta­tista markieren den Über­gang von der dig­i­tal­isierten zur automa­tisierten Con­tent-Indus­trie. Wo früher Men­schen Dat­en inter­pretierten, lässt heute Soft­ware Zahlen sprechen. Doch während die Effizienz steigt, dro­ht etwas ver­loren zu gehen: das Ver­ständ­nis dafür, dass Infor­ma­tion mehr ist als nur ver­ar­beit­ete Dat­en – sie ist ein kul­turelles Gut.

Und vielle­icht ist das die eigentliche Lehre dieses Moments:

Nicht die Maschi­nen ver­drän­gen den Men­schen – der Men­sch hat sich durch seine eigene Maschi­nen­haftigkeit erset­zbar gemacht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert