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Als John Ken­neth Gal­braith 1967 Die mod­erne Indus­triege­sellschaft veröf­fentlichte, legte er den Fin­ger auf eine stille Rev­o­lu­tion. Der charis­ma­tis­che Patri­arch-Unternehmer, Sinnbild der Früh­phase des Kap­i­tal­is­mus, trat in den Hin­ter­grund. An seine Stelle rück­te eine neue, unsicht­bare Macht: die „Tech­nos­truk­tur“.


Darunter ver­stand Gal­braith jenes kollek­tive Entschei­dungszen­trum mod­ern­er Großun­ternehmen – ein Geflecht aus Fach­leuten, Stäben, Ver­fahren und Rou­ti­nen, das Wis­sen bün­delt, Entschei­dun­gen vor­bere­it­et und den Kurs vorgibt. Nicht mehr der geniale Einzelne lenk­te den Betrieb, son­dern eine organ­isierte Grup­pen­in­tel­li­genz. Für Gal­braith war dies nicht nur eine betrieb­swirtschaftliche, son­dern eine gesellschaftliche Zäsur: Die Tech­nos­truk­tur bes­timmte Märk­te, bee­in­flusste Kon­sumver­hal­ten und wirk­te bis in die Poli­tik hinein – jen­seits klas­sis­ch­er Mark­t­mech­a­nis­men.

Die Pointe: Das Genie wird ent­behrlich

Die Stärke der Tech­nos­truk­tur, so Gal­braith, lag darin, nor­males Fach­wis­sen sys­tem­a­tisch zu kom­binieren. Statt auf Aus­nah­metal­ente zu set­zen, wur­den „gewöhn­liche Men­schen“ auf Spezial­ge­bi­eten aus­ge­bildet und ihre Exper­tise in Entschei­dung­sprozessen zusam­menge­führt. Das „Genie“ ver­lor seine Notwendigkeit, erset­zt durch kollek­tive Ratio­nal­ität.

Von Gal­braith zu Big Tech

Hen­ry Mintzberg griff später ähn­liche Über­legun­gen in sein­er Organ­i­sa­tion­slehre auf. Und in der Gegen­wart erleben wir eine tech­nol­o­gis­che Fortschrei­bung von Gal­braiths Diag­nose:

  • Busi­ness Intel­li­gence und Ana­lyt­ics (Dav­en­port, Com­pet­ing on Ana­lyt­ics) machen aus Daten­strö­men oper­a­tive Entschei­dungs­grund­la­gen.
  • Big-Tech-Konz­erne wie Ama­zon oder Alpha­bet ver­fü­gen über Tech­nos­truk­turen, die weit über inner­be­triebliche Steuerung hin­aus gesellschaftliche Dynamiken prä­gen – von Kon­sumpräferen­zen bis hin zur poli­tis­chen Kom­mu­nika­tion.

Heute: KI als neue Tech­nos­truk­tur

Die eigentliche Aktu­al­ität von Gal­braiths Analyse zeigt sich jedoch in der Dig­i­tal­isierung. KI-Agen­ten und Mul­ti­a­gen­ten­sys­teme übernehmen heute Funk­tio­nen, die er einst der men­schlichen Tech­nos­truk­tur zuschrieb. Sie bün­deln Wis­sen, tre­f­fen Entschei­dun­gen und führen Hand­lun­gen autonom aus.

  • In Fab­riken orchestri­eren sie Fehler­analy­sen, Reparatur­prozesse und Pro­duk­tion­sop­ti­mierung.
  • In Energie- und Logis­tiknet­zen sor­gen sie für eine dynamis­che, trans­par­ente Steuerung.
  • In dig­i­tal­en Plat­tfor­men struk­turi­eren sie Arbeitsmärk­te, Kon­sumver­hal­ten und Kom­mu­nika­tion.

Damit ver­schiebt sich die Tech­nos­truk­tur von ein­er men­schlichen Expertenor­gan­i­sa­tion hin zu einem hybri­den Kollek­tiv aus Men­schen, Dat­en und Algo­rith­men.

Faz­it

Gal­braiths Diag­nose wirkt heute fast prophetisch: Die Mark­twirtschaft wird nicht mehr durch geniale Einzelun­ternehmer getra­gen, son­dern durch kollek­tive Entschei­dungsstruk­turen – einst in Form men­schlich­er Experten­grup­pen, heute zunehmend als dig­i­tale Net­zw­erke aus KI-Agen­ten. Die Tech­nos­truk­tur hat nicht nur über­lebt, sie hat sich trans­formiert. Und erst jet­zt begin­nt sie, ihre volle Reich­weite zu ent­fal­ten.


Quellen:

„Die mod­erne Indus­triege­sellschaft“ von John Ken­neth Gal­braith

Die mod­erne Plat­tfor­mge­sellschaft – „Tech­nos­truk­tur“ reloaded

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