SciAgents ist ein innovatives Konzept im Bereich der wissenschaftlichen Berechnungen und Simulationen. Es handelt sich um eine agentenbasierte Umgebung, die für verteilte wissenschaftliche Berechnungen entwickelt wurde.
Ein der ersten Arbeiten, die sich m.W. mit dem Thema intensiv beschäftigte, ist SciAgents - An Agent Based Environment for Distributed, Cooperative Scientific Computing aus dem Jahr 1995.
Darin stellen die Autoren ein System vor, das darauf abzielt, die Nutzung von Hochleistungsrechnersystemen (HPC) für Wissenschaftler zu erleichtern, die komplexe mathematische Modelle physikalischer Phänomene erstellen möchten.
Oftmals stehen Anwendungsspezialisten vor der Schwierigkeit, die Möglichkeiten von HPC-Systemen auszuschöpfen, da sie nicht über das erforderliche Fachwissen in verschiedenen Informatikbereichen wie paralleles Rechnen und numerische Methoden verfügen. SciAgents soll diese Barrieren abbauen und eine benutzerfreundliche Umgebung schaffen, die dem Einsatz von PC-basierten Systemen ähnelt.
Das System basiert auf einem agentenorientierten Modell, bei dem autonome Agenten miteinander kommunizieren und auf Veränderungen in ihrer Umgebung reagieren können. Diese Agenten sind in der Lage, Programmvorgaben zu erfüllen und Programme mit minimalem Benutzerintervention auszuführen. Dies wird durch den Einsatz künstlicher Intelligenz-Techniken ermöglicht, die es den Agenten erlauben, komplexe Probleme effizient zu lösen. Ein zentraler Fokus von SciAgents liegt auf der Lösung von partiellen Differentialgleichungen (PDE), die häufig in der wissenschaftlichen Modellierung verwendet werden. Durch die Zerlegung komplexer Modelle in einfachere Submodelle können verschiedene Agenten parallel arbeiten und so die Effizienz steigern.
Solver Agent und Relaxer Agent
Die zwei zentralen Komponenten des Systems sind der Solver Agent und der Relaxer Agent, auch bekannt als Mediator Agent.
Solver Agent
- Funktionsweise: Der Solver Agent wird als "Black Box" betrachtet, was bedeutet, dass andere Agenten nicht seine internen Abläufe kennen müssen. Er kommuniziert mit anderen Agenten über eine spezielle Interagenten-Sprache.
- Unabhängigkeit: Jeder Solver Agent trifft seine Berechnungsentscheidungen für sein individuelles Teilproblem unabhängig von den Entscheidungen in anderen Teilproblemen. Dies ist eine wesentliche Verbesserung gegenüber traditionellen Ansätzen für multidisziplinäre Simulationen.
- Zuständigkeitsbereich: Ein Solver Agent ist in der Regel für eine einzelne Subdomäne oder ein einzelnes Teilproblem innerhalb des Gesamtproblems verantwortlich.
- Interaktion: Solver Agenten kommunizieren direkt mit den benachbarten Mediator-Agenten (auch Relaxer-Agenten genannt), die für die Schnittstellen zwischen den Subdomänen zuständig sind.
- Datenverarbeitung: Der Solver Agent empfängt Daten von den Mediator-Agenten, verarbeitet diese und sendet die Ergebnisse zurück. Dies geschieht iterativ im Laufe des Lösungsprozesses.
- Flexibilität: Das System erlaubt es, verschiedene Arten von Solvern als Agenten zu implementieren, was die Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Problemtypen erhöht.
- Benutzerinteraktion: Solver Agenten können direkt mit dem Benutzer kommunizieren, um notwendige domänenspezifische Daten und PDE-bezogene Informationen zu erhalten.
- Autonomie: Nach der Instanziierung übernimmt der Solver Agent selbstständig die Kommunikation mit seiner Umgebung und anderen Agenten. Er kann eigenständig entscheiden, ob er mit Berechnungen beginnen oder auf Kontakt von anderen Agenten warten soll.
- Parallelisierung: In einigen Implementierungen kann ein einzelner Solver Agent auf einer dedizierten Recheneinheit laufen, was die parallele Verarbeitung komplexer Probleme ermöglicht.
Relaxer Agent bzw. Mediator Agent
- Schnittstellenverwaltung: Der Mediator-Agent ist verantwortlich für die Verwaltung der Schnittstellen zwischen benachbarten Teilproblemen oder Subdomänen.
- Er kontrolliert den Datenaustausch zwischen den Solver-Agenten, die an diesen benachbarten Subdomänen arbeiten.
- Anwendung von Vermittlungsformeln: Der Agent wendet spezielle Vermittlungsformeln und Algorithmen auf die Daten an, die von den Solver-Agenten kommen und zu ihnen gehen. Dies ermöglicht eine effektive Koordination zwischen den verschiedenen Teilen des Gesamtproblems.
- Lokale Entscheidungsfindung: Mediator-Agenten treffen intelligente Entscheidungen auf lokaler Ebene, was zur Entstehung der globalen Lösung beiträgt. Diese dezentrale Entscheidungsfindung ist ein Schlüsselmerkmal des SciAgents-Systems.
- Konvergenzerkennung: Sie sind in der Lage, lokal zu erkennen, wenn bestimmte Ziele erreicht wurden, wie zum Beispiel die Konvergenz der Lösung. Wenn ein Mediator-Agent Konvergenz feststellt, meldet er dies an den globalen Controller.
- Dynamische Zielanpassung: Die Agenten können ihre Ziele dynamisch an den lokalen Status des Lösungsprozesses anpassen. Sie wechseln zwischen der Beobachtung von Ergebnissen und der Berechnung neuer Daten.
Struktur und Zusammenarbeit
- Ein komplexes Interface zwischen zwei Subdomänen kann von mehreren Mediator-Agenten verwaltet werden, wobei jeder für einen separaten Teil zuständig ist.
- Mediator-Agenten kommunizieren direkt mit den benachbarten Solver-Agenten
- Sie sind Teil eines Netzwerks von Agenten, das gemeinsam an der Lösung des globalen Problems arbeitet, ohne dass eine zentralisierte Kontrolle über die Berechnungen ausgeübt wird.
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
Die Mediator-Agenten in SciAgents zeichnen sich durch ihre Flexibilität aus. Sie können unterschiedliche Vermittlungsformeln und Algorithmen anwenden, abhängig von der physikalischen Natur der von ihnen verwalteten Schnittstellen. Diese Anpassungsfähigkeit ermöglicht es SciAgents, eine breite Palette von komplexen, multidisziplinären Problemen effizient zu lösen.
Schlussbetrachtung
Die Architektur von SciAgents fördert die Modularität und Flexibilität und ermöglicht eine kosteneffiziente Entwicklung von Software zur Lösung komplexer mathematischer Probleme. Die Benutzerfreundlichkeit wird durch eine Abstraktionsebene unterstützt, die es nicht-expertisierten Benutzern erlaubt, ohne tiefgehende Kenntnisse in der wissenschaftlichen Informatik Software zu entwickeln und zu nutzen. Die Agenten können autonom agieren und Probleme während des Lösungsprozesses selbstständig lösen, was eine nahtlose Ableitung globaler Lösungen ermöglicht.
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